1423. An Nanda Keßler

[215] 1423. An Nanda Keßler


Mechtshausen 25. Dec. 1903.


Meine liebe Nanda!

Die zwei langschnäbligen Vöglein hab ich erhalten und mit Vergnügen verputzt. Sie waren gut an Leib und Seel; aber die Seel ist doch immer das Beste daran. – Auch die Ansichten von Frankfurt aus dem 18ten Jahrhundert erhielt ich. – Für beides sei freundlichst bedankt.

Also bald schreiben wir 1904. Möge das neue Jahr so werden, daß es dir gefällt. Vor allem und zunächst wünsch ich dem Hudi in Heidelberg einen guten Erfolg. – Und wenn mein Lebensfädchen nicht reißt oder zu mangelhaft wird bis zum Juni 1904, dann hoff ich, wir sitzen noch mal wieder zusammen im Fürstenhof und sagen Prosit zu einander.

Gestern abend ging ich mit den Kindern in die Christkirche. Nachher kam zu Haus die Bescherung. Das Alter schaut zu und freut sich über die Freude der Jungen.

Unser Wetter hat mich milde behandelt letzther. Tagtäglich bin ich lange im Garten spatzirt, obgleich daselbst noch nicht viel Neues paßirt. Selbst die Unkräuter schlafen; nur eins, die Hühnermiere, ist wach geblieben. Davon pflück ich nun jeden Mittag ein Sträußlein ab und bring's dem Kanarienvogel. Er kennt seinen Freund und piept schon von weitem, wenn er ihn kommen sieht.

Leb wohl, liebe Nanda. Herzliche Grüße an Dich, an Nellie und Hudi von deinem alten

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 215.
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