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[88] Vers 12889–13550.
Zu Sarra lebte im Tartarenland
Ein König, welcher oft in Fehde stand
Mit Rußland; wodurch mancher brave Mann
Zu Tode kam. – Man nannte Cambuscan
Den edlen König, der zu seiner Zeit,
Wie Keiner sonst berühmt war weit und breit. –
In jeder Hinsicht von erprobtem Werth,
Gebrach ihm nichts, was einen König ehrt,
Als daß in anderm Glauben er geboren.
Fest hielt er am Gesetz, das er beschworen,
Und dabei war er weise, kühn und reich,
Gerecht und mild und blieb sich darin gleich;
Treu seinem Wort, stets ehrenhaft und gut
Und wie der Schwerpunkt stät und fest an Muth;
Jung, frisch und stark, voll Lust zu Kampf und Strauß,
Wie kaum ein Ritter sonst aus seinem Haus;
Von Ansehn schön, vom Glücke reich bedacht,
Entfaltete er königliche Pracht
An seinem Hofe, wie kein andrer Mann.
Der edle Tartarkönig Cambuscan[89]
Besaß zwei Söhne – Algarsif der eine,
Der jüngere Camballo – welche seine
Gemahlin Elfeta zunächst gebar;
Jedoch das jüngste Kind des Königs war
Ein Töchterlein, mit Namen Canace,
Die größte Schönheit. – Aber ich gesteh',
Daß mir die Kunst, sowie die Zunge fehlen,
Von so erhabnen Sachen zu erzählen.
Mein Englisch ist nicht gut genug bestellt.
Der erste Redner selber von der Welt,
Dem jede Farbe für die Kunst bekannt,
Brächte die Schilderung kaum zum Theil zu Stand;
Der bin ich nicht, ich rede, wie ich kann.
Und es geschah, als dieser Cambuscan
Sein Diadem getragen zwanzig Jahr,
Daß er, wie jährlich – denk' ich – Sitte war,
Ausrufen ließ in Sarra allerwärts,
Am letzten Idus würd' im Monat März
In diesem Jahre sein Geburtstag sein.
Phöbus entsandte seinen hellen Schein,
Ganz nah' vom Standpunkt der Exaltation,
Mars gegenüber, der in der Mansion
Des Widders stand, dem zornig heißen Bilde.
Höchst freundlich war die Witterung und milde.
Der Sonn' entgegen sangen Dankeslieder
Mit lauter Stimme schon die Vögel wieder
Beim Nah'n des Frühlings in dem frischen Grün,
Durch sie geschützt fortan, wie's ihnen schien,
Vorm scharfen Schwert der kalten Winterzeit.
Bediademt, in reichem Königskleid[90]
Saß Cambuscan, von dem die Rede schon,
In dem Palaste hoch auf seinem Thron
Und feierte sein Fest mit Prunk und Prangen,
Wie auf der Welt kein zweites ward begangen.
Kaum reichte hin, von aller Pracht zu sagen,
Der längste Tag von allen Sommertagen.
Doch scheint es mir nur wenig von Belang,
Die fremden Schüsseln und jedweden Gang,
Sowie die Tafelordnung zu erwähnen.
Noch red' ich von den Reihern und den Schwänen,
Noch von dem Fleische, das als Leckerbissen
– Wie alte Ritter mitzutheilen wissen –
Im Lande galt, wird's auch von uns verschmäht.
Denn keinen Menschen giebt es, dem's geräth,
Dies zu beschreiben. – Morgenzeit ist hin,
Und da nur Zeitverlust und nicht Gewinn
Es bringen kann, so eil' ich fortzufahren.
Als so drei Gänge aufgetragen waren,
Indeß dem Spiel und köstlichem Gesang
Der Minnesänger, der bei Tisch erklang,
Der König lauschte, und vom Adel Alle,
Ritt durch das Thor urplötzlich in die Halle
Ein Ritter, der auf einem Rosse saß
Von blankem Stahl. – Er trug ein Spiegelglas
In seiner Hand und einen goldnen Ring
Am Finger, und an seiner Seite hing
Ein nacktes Schwert. – Und als er näher ritt,
Ward in der Halle Jeder stumm; denn mit
Verwundrung blickten hin auf die Gestalt
Des Rittersmanns geschäftig Jung und Alt.
Der bis aufs Haupt vom reichsten Panzerhemde
Umhüllte, plötzlich eingetretne Fremde[91]
Begrüßte König, Königin und alle
Die Ritter ehrerbietig in der Halle
Dem Rang gemäß nach höfischem Gebrauch
In Wort und Haltung. – Käme selber auch
Zur Erde wieder aus dem Land der Geister
Gawain, der alte Ceremonienmeister,
Fürwahr, verbessern könnt' er nicht ein Wort.
Der Ritter nahte sich dem Thron sofort
Und gab in seiner Sprache männlich laut,
Die Botschaft wieder, die ihm anvertraut,
Nach Laut und Silbe, ohne jeden Fehler;
Es gab durch seinen Vortrag der Erzähler
Vielmehr den Worten ihren besten Werth,
Wie es die Kunstform der Rhetorik lehrt.
Doch mir wird, ach! sein Redestil zu sauer.
Ich überklimme nicht so hohe Mauer,
Doch sag' ich dieses, damit Jeder klar
Ersehe, was der Sinn der Rede war,
Soweit es mein Gedächtniß noch behält:
»Arabiens König, Indiens Herr bestellt«
– So hub er an – »zu Deinem Ehrentag
Dir Grüße, wie er bestens kann und mag,
Und sendet Dir zu dieser Festlichkeit
Durch mich – der stets zu Deinem Dienst bereit –
Dies Roß von Erz, das leicht, sowie bequem
In Zeit von einem Tage – unter dem
Hier vierundzwanzig Stunden sind gemeint –
Ob's regnet, oder ob die Sonne scheint,
Wenn Dir's gefällt, nach jedem Ort Dich trägt,
Wohin Dein Herz zu reiten Neigung hegt,
Durch Dick und Dünn, und ohne zu versagen.
Es wird auf Wunsch Dich in die Lüfte tragen,[92]
Hoch wie der Adler sich im Fluge schwingt.
Wohin Du willst, ans Ziel trägt unbedingt
Dich dieses Roß, und ohne Furcht vor Tücken
Magst schlafen Du und ruh'n auf seinem Rücken.
Es kehrt zurück, berührst Du einen Knopf.
Der es gemacht hat, war ein schlauer Kopf,
Und wußte durch Constellation von Sternen
Für das Getriebe Manches zu erlernen,
Und kannte manches Band und manches Siegel.
Auch halt' ich den Händen einen Spiegel
Von solcher Kraft, daß Du mit einem Blick
Darin erspäh'st jedwedes Mißgeschick,
Das Dir bevorsteht, oder Deinem Reich;
Und Freund und Feind erkennst darin Du gleich.
Und überher zeigt noch der Spiegel an,
Ob, wenn ein schönes Fräulein einen Mann
Ihr Herz geschenkt hat, dieser Falschheit sinne,
Und was er plane, wen aufs Neue minne;
So offenbar wird jede Heimlichkeit.
Weßhalb ich jetzt zur lust'gen Sommerzeit
Von meinem Herrn den Spiegel sammt dem Ringe
Hier Deiner Tochter zum Geschenke bringe,
Der edlen Dame voller Trefflichkeit.
Der Ring – sofern Ihr's hören wollt – verleiht
Die Kraft, daß, wenn am Daumen sie ihn trägt,
Auch, falls sie will, in ihre Börse legt,
Von jedem Vogel unterm Himmelsdache
Sie auch sofort verstehen kann die Sprache;
Und klar wird ihr der Sinn von ihren Liedern,
Und sie kann in derselben Art erwiedern.[93]
Auch alle Kräuter, so aus Wurzeln sprießen,
Kennt sie und kann mit ihnen Wunden schließen,
Wie groß auch deren Tiefe sei und Weite.
Und dieses nackte Schwert an meiner Seite
Hat solche Kraft, daß, wenn ein Mann es schwingt,
Sein Hieb sofort durch jeden Harnisch dringt,
Wär' er selbst stärker, als die stärkste Eiche.
Und, wenn ein Mann verwundet ist vom Streiche,
Wird er – sofern es Dir beliebt – nie heil,
Falls mit des Schwertes Fläche Du den Theil
Nicht streicheln willst, wo seine Wunden fließen.
Das heißt: die Stelle wird sofort sich schließen,
Berührst Du sie mit Deinem flachen Schwert.
Das ist die Wahrheit, und der Zauber währt,
So lang' das Schwert Du führst in Deinen Händen.«
Hier ließ der Ritter seinen Vortrag enden,
Ritt aus der Halle dann zum Hof hinein
Und stieg vom Roß, das ruhig, wie aus Stein
Gehauen, dastand hell wie Sonnenschimmer.
Der Ritter legte dann in einem Zimmer
Die Rüstung ab, worauf er in die Halle
Zur Tafel ging. – Aus kostbarem Metalle
Waren die Gaben, nämlich, Schwert und Spiegel,
Die durch erwählte Diener unter Riegel
Im Hauptthurm zu bewahren man befahl.
Der Ring jedoch ward feierlich beim Mahl
Sogleich der Dame Canace verehrt.
Doch unbeweglich stand das Eisenpferd
– Ich fab'le nicht, die Wahrheit spricht mein Mund –
Auf seinem Platz, wie festgeleimt am Grund.[94]
Von seinem Fleck es Niemand treiben kann;
Sie wenden Hebel, Winden, Schrauben an.
Vergebens! – Da der Kunstgriff nicht bekannt,
So blieb das Roß am Platze, wo es stand,
Bis später die Bewegung von dem Pferde
Der Ritter zeigte, wie ich melden werde.
Es wogte hin und her das Volksgedränge,
Das Pferd begaffend, das von solcher Länge,
So breit und hoch war, aber Ebenmaß
Trotz aller Kraft und Stärke doch besaß.
Vollkommen roßgleich war es, und dabei
Von Blick so feurig, wie die Lombardei
Mitsammt Apulien nur ein Pferd geboren.
Es könne von dem Schweif bis zu den Ohren
In keiner Art verbessern die Erscheinung
Natur noch Kunst – so war des Volkes Meinung.
Doch galt als größtes Wunder allerwärts,
Daß gehen könne dieses Pferd von Erz;
Ein Feeenspuk erschien dem Volk zumeist es.
Doch »soviel Köpfe, soviel Sinne« heißt es,
Und eine Meinung kann nicht Jedem dienen.
Sie murmelten gleich einem Schwarm von Bienen,
Denn ihre Kraft der Einbildung war rege;
In alten Liedern fanden sie Belege;
Es sei der Gaul ganz gleich dem Pegasus,
Dem Flügelrosse, war der Einen Schluß;
Doch Andre sagten, es sei Sinon's Pferd,
Des Griechen, durch das Troja ward zerstört,
Wie dies aus alten Büchern man vernommen.
»Mein Herz« – sprach Einer – »ist stets angstbeklommen.[95]
Bewaffnet Volk – so glaub' ich – steckt darin
Und hat die Plündrung unsrer Stadt im Sinn.
Mir schien' es gut, wär' Alles erst bekannt!«
Und leise sprach, zum Nachbar hingewandt,
Ein Anderer: »Er lügt! Mir scheint vielmehr,
Als ob Magie dabei im Spiele wär',
Wie Taschenspieler sie auf Festen zeigen!«
So zweifelten und schwätzten sie, wie's eigen
Dem Pöbel ist in seiner Allgemeinheit,
Der stets bei Dingen, die mit größrer Feinheit
Gemacht sind, als sein schmales Hirn versteht,
Auch auf das Schlimmste gern zunächst geräth.
In andern Gruppen man vom Spiegel sprach,
Der aufbewahrt im starken Thurme lag,
Verwundert, daß er solche Dinge künde.
Doch kannte dieser oder der die Gründe:
Man könne durch die Winkabstellung schlau
Die Reflexion berechnen ganz genau;
Sei doch in Rom ein solches Glas zu seh'n.
Vitellon – sagten sie – und Alhazen
Und Aristoteles beschrieben schon
Die Perspectiven und die Reflection,
Was Lesern ihrer Schriften sei bekannt.
Auch an dem Schwert man viel zu wundern fand,
Das Kraft besaß, durch jedes Ding zu stechen.
Man kam auf König Telephus zu sprechen,
Und auf Achilles mit dem Zauberspeer,
Der heilen konnte, wie verwunden schwer,
Ganz in derselben Weise wie das Schwert,
Von dessen Kraft soeben Ihr gehört.[96]
Sie sprachen über Härtung von Metall
Und die Verfahren, die man überall
Anwenden könne, solches fest zu machen.
Doch mir sind dieses unbekannte Sachen.
Von Canace besprachen sie den Ring
Und sagten: solch' ein wunderbares Ding
Von Zauberei sei etwas namenloses.
Sie wußten nur, daß Salamo und Moses
Sich hohen Ruhm in dieser Kunst gewannen.
Und also redend, zog das Volk von dannen.
Merkwürdig – meinten Einige – sei, daß
Aus Farrnkrautasche man bereite Glas,
Da beides doch so ganz verschieden sei.
Doch bald war das Geschwätz davon vorbei;
Als Wunder galt nicht, was den Meisten kund.
Höchst räthselhaft erschien des Donners Grund,
Der Jungfernsommer, Nebel, Ebbe, Fluth,
Und was noch sonst bislang im Dunkel ruht.
So schwatzten sie und meinten Allerhand,
Bis von der Tafel auf der König stand.
Vom Mittagswinkel wandte Phöbus sich
– Doch ascendirte dabei königlich
Der edle Löwe mit dem Aldrian –
Als dieser Tartarkönig Cambuscan
Die Tafel aufhob und vom Throne dann
– Die Sänger und Trompeter ihm voran –
Zum Prunksaal ging, wo Instrumentenklang
Sofort erscholl; und wem's zu Ohren drang,
Der wähnte sich ins Himmelreich versetzt.
Tanzt, liebe, lust'ge Venuskinder, jetzt!
Denn freundlich blickt der Liebe Königin,
Hoch in den Fischen thronend, auf Euch hin.[97]
Der edle König, hoch zu Thron im Saal,
Den fremden Ritter zu sich her befahl,
Der bald im Tanz mit Canace sich schwang.
Nun herrschte Lust, nun schallte Jubelklang!
Doch das beschreibt uns nicht, wer trüb gesinnt.
Nur wer im Dienst der Liebe selber minnt,
Ein Lebemann, frisch wie der Mai und jung,
Kann unternehmen diese Schilderung.
Doch wer vermag das Bild Euch zu entfalten
Von fremden Tänzen, frischen Frau'ngestalten,
Die Liebesgrüße mit verstohl'nen Blicken,
Der Gatten Eifersucht befürchtend, nicken?
Ich überschlag' es; denn nur Lancelot
Kann das beschreiben; aber der ist todt.
Ich sage nichts. – In froher Lust indessen
Laß ich sie weilen bis zum Abendessen.
Es heißt, derweil die Instrumente klingen,
Der Tafelmeister Wein und Speisen bringen.
Es eilen fort die Junker und Lakai'n;
Man trägt die Schüsseln auf, man bringt den Wein,
Man ißt, man trinkt und nach dem Essen geht
Man schicklich in den Tempel zum Gebet,
Um dann aufs Neu' den ganzen Tag zu zechen.
Jedoch, was nützt es, von dem Glanz zu sprechen?
Bekanntlich giebt's auf einem Königsfeste
Für Hoch und Niedrig Viel und stets das Beste
An – was weiß ich, wie manchen – Leckerei'n.
Gleich nach dem Schmause nahm im Augenschein
Der edle König mit dem ganzen Troß
Von Herr'n und Damen jenes Eisenroß;
Und so bewundert ward das Pferd von Allen,[98]
Daß seit der Zeit, da Troja einst gefallen,
Und Menschen staunend auf ein Roß geschaut,
Kaum die Verwundrung wurde je so laut.
Doch schließlich bat der König, daß erklärt
Vom Ritter ihm die Tugend von dem Pferd
Und seine Kraft und seine Leitung werde.
Gleich hob das Roß sich trippelnd von der Erde,
Sobald der Rittersmann erfaßt den Zaum.
»Herr!« – sprach er dann – »es braucht der Worte kaum.
Wohin Du willst, der Ritt von Statten geht,
Wenn man den Knopf in seinem Ohre dreht.
Sind wir allein, will ich Dir Alles zeigen.
Auch darfst Du Land und Ort ihm nicht verschweigen,
Wohin den Ritt nach Deiner Wahl Du lenkst;
Und bist Du da, wo Du zu bleiben denkst,
Gieb ihm Befehl; und daß es niederfliegt,
Dreh' an dem andern Knopfe. – Darin liegt
Die ganze Kunst. – Gehorsam allsofort
Steigt es hernieder und bleibt still am Ort.
Mag alle Welt das Gegentheil besagen,
Nicht fort zu zieh'n ist's und nicht fort zu tragen.
Und willst Du weiter reiten, nun, so drücke
An diesen Knopf, und gleich im Augenblicke
Ist es entschwunden dem Gesicht von Allen.
Bei Tag und Nacht steigt wieder nach Gefallen
Es auch herab, rufst Du es in der Art,
Wie unter uns Dir näher offenbart
Noch werden soll in kurzer Zeit. – Und nun
Reite nach Lust; denn mehr giebt's nicht zu thun!«
Nachdem vom Ritter unterwiesen war
Der König, und nach Form und Art ihm klar[99]
Geworden war das Triebwerk auf das Beste,
Kehrte vergnügten Sinnes er zum Feste
Nunmehr zurück. Die Zügel aber ließ
Er aufbewahren in dem Thurmverließ.
Bei den Juwelen von besonderm Werth.
Aus Aller Blick jedoch entschwand das Pferd.
Ich weiß nicht wie? Von mir bringt Ihr heraus
Für jetzt nichts mehr. – Ich lasse froh beim Schmaus
Sich Cambuscan mit seinen Herr'n behagen,
Bis daß der Morgen fast beginnt zu tagen.
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