[155] Zur Nacht, zur Nacht an den Wassern ich ging –
Die Nacht lag schwarz, zerlastend, schwül ...
Und meiner Seele Angstgefühl
Mit zuckenden Fingern die Engnis umfing ...
Von den Wassern herauf erklang es, erscholl,
Als orgelte drunten ein Sturmchoral,
Und doch war die Welt des Schweigens so voll –
Nur in mir schrie die Qual ...
[155]
Die Nacht zerdrückte mich und zerschmolz
Mit brünstigem Atem, was einst empor
In märzigen Träumen sich reckte so stolz –
Draus aber kroch Angst und Furcht hervor ...
Nur Furcht vor dem hellen, dem harten Licht,
Das alles in zwingende Nähe schiebt,
Dran meiner Seele harmonisch Gedicht
In tausend Fetzen und Splitter zerstiebt ...
Der Wind strich feucht und die Flut lief sacht –
Mich deckte der Nacht blauschwarzer Schild – –
Da hat es sich mir in Gnaden enthüllt
Und satte Genesung mir eingebracht ...
Wohl tröstet die Nacht und zärtlich gibt
Sie der Einsamkeit Brust dem Verirrten hin –
Sie hat die Verlassenen immer geliebt
Und den wundenzerfolterten Duldersinn.
Sie dämpft das Weh und blendet den Blick
Vor des Tages zerkrümelter Vielheitswelt –
Doch, wenn sich der Himmel im Osten erhellt,
Beschert sie sterbend das reichste Glück ...
Wie der Tag allmählich zur Erde kehrt
Und langsam wächst zu hellerem Schein:
So reife mein Herz, von neuem bewehrt,
Gemach in seine Bezirke hinein...
[156]
Zur Nacht, zur Nacht mein Auge hing
An der schwarzen Flut – die Nacht lag schwül –
Doch meiner Seele Kraftgefühl
Frohlockend dem Frührot entgegenging ...