[50] Orgon, Geronte, Damon, Timant, Philipp.
ORGON. Ich habe gerade eine Nachricht bekommen, die mich recht erschreckt hat. Bist du im Ernste krank, mein Sohn? Du siehst doch so übel nicht aus. –
GERONTE. O Possen! was wird ihm fehlen? Kommen Sie, kommen Sie nur mit zu Tische; das Kopfweh wird Ihnen schon vergehen.
DAMON. Lisette hat uns, glaube ich, nur ein Schrecken einjagen wollen, da sie uns die Nachricht von Ihrer Unpäßlichkeit mit so vielem Ungestüm brachte.
TIMANT. Verzeihen Sie, es ist mir nicht recht wohl: es wird aber nichts zu bedeuten haben. Es ist mir leid, daß ich nicht die Ehre haben kann, Sie bey Tische zu sehen. Es ist mir dießmal unmöglich.
Zu Philippen.
Merke nur darauf, was sie sich für Mühe geben, mich zu überreden, zu Tische zu gehen.
ORGON. Ich dächte doch, es wäre besser, du giengest mit. Wenn deine Krankheit nicht wichtig ist: so ist die beste Cur, in guter Gesellschaft fröhlich zu seyn.
GERONTE. Sie müssen nur nicht daran denken, daß Sie Kopfweh haben. Kommen Sie nur; der Tisch ist schon gedeckt. Lustig muß man seyn, wenn man gesund leben will. Ich will Ihnen über[50] Tische ein Glas Wein zutrinken, das Sie heilen und Sie munter machen soll, und wenn Sie alle mögliche Krankheiten am Halse hätten.
TIMANT zu Philippen. Merkest du auf diese listigen Reden! Er verstellet sich!
Zu Geronten.
Es ist mir ganz unmöglich. Verzeihen Sie, ich werde keinen Bissen essen, und noch vielweniger Wein trinken. Ich weiß gewiß, daß er mir schädlich seyn würde.
ORGON. Du machst mir ganz bange. Sollte denn deine Krankheit etwas schlimmes zu bedeuten haben? Wir wollen dich nicht nöthigen, viel zu essen. Komm nur mit herauf, und sieh uns zu.
TIMANT zu Philippen. Mein Vater auch! Zu Orgon. Verzeihen Sie, gnädiger Herr Vater, ich werde mich zu Bette legen. Es hat nichts zu sagen; es wird schon wieder vorbey gehen.
DAMON. Sollte es nicht rathsamer seyn, nach einem Arzte zu schicken? Er wohnet gleich hier in der Nähe.
TIMANT. Nein, nein, durchaus nicht! geben Sie sich keine Mühe! Ich nehme durchaus nichts ein; ich bin nicht krank. Die Einsamkeit ist für mein Kopfweh die beste Cur. Zu Philippen. Was muß hinter diesem Anschlage stecken?
GERONTE. Je nun, so wollen wir Sie auch in der Einsamkeit lassen. Ich will Ihnen einige Essen stehen lassen und herunter schicken, die sich recht für einen Kranken schicken.
TIMANT. Um des Himmels willen nein! Ich bitte Sie recht sehr; denn ich kann keinen Bissen essen. Ich will mich lieber todt schlagen lassen, als essen; ich habe einen Ekel vor allem Essen.
ORGON. Ich kann unmöglich ruhig seyn, so lange ich dich nicht wohl sehe. Ich will hier bey dir bleiben.
TIMANT. Thun Sie mir dieß einzige zu Liebe, und gehen Sie hinauf zu Tische. Es hat nichts zu bedeuten mit meiner Krankheit; gehen Sie nur.
GERONTE. Je nun! so komm, wenn nichts anders zu thun ist! das Essen möchte kalt werden. Kommen Sie!
Er nimmt den Orgon bey der einen Hand, und den Damon. bey der andern.
[51]
ORGON. Leg dich zu Bette! Philipp, nimm ihn gar wohl in Acht!
DAMON. Gleich nach Tische werden wir bey Ihnen seyn, um zu sehen, wie Sie sich befinden.
TIMANT. Ich empfehle mich Ihnen.
Orgon, Geronte und Damon gehen ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Mißtrauische
|