Dem durchlauchtigen Ober-Haupte Fruchtbringender Gesellschafft. Dem Schmackhafften

[203] Deutscher Phaleucus.


Nicht bloß über viel Festen, Städt und Flecken,

Was vor Leute die Stern auch drunter decken:

Sondern über viel Künst' und weise Schrifften,

So die Deutsche Gesellschafft weiß zu stifften:

/: O ein überaus herrliches Gebiete!:/

Hertzog vom Wittikindischen Geblüte!


Daß die Fackel vom Ober Sachsen Creisse

Euer Weinmar mich also weichen heisse,

Als vermessen durch eures Schlosses Bogen

Dieser deutsche Phaleucus kommt gezogen.


Jedoch, unter so hocherlauchten Helden,

So von Alpen biß an Codan zu melden,

Lasset Eure Trabanten, Euch zu grüssen,

Mir die unterste Staffel nicht verschliessen.
[203]

Von dem Zobten Berg und der Oder Rande

Komm an Ettersberg ich zur Sala Strande:

Von der Stadt, die genannt wird von dem Schweine:

Zu der Stadt, die genannt wird von dem Weine.


Derowegen, o Haupt der klügsten Sinnen,

So die Crone der Wissenschafft beginnen:

Und den Weinmarischen Hof weit vor Iberen,

Weit vor Gallien, weit vor Rom verehren.


Untern Büchern und Schrifften, so zu preisen,

Unter Künsten und Sachen alter Weisen:

Unter Sprachen und Lehren, so zu mercken,

Unter Meistern von Deutscher Art und Wercken.


Es sey: daß sie den Geist der Tichter fühlen,

Wie sie an der gelehrten Pegnitz spielen:

Und in der Hecatombe recht betrachten,

Wo die Eitelkeit Balde bald wil schlachten.


Es sey: daß sie die Sonn an Himmel zwecken,

Ihren Thier Circkel umb das Mittel stecken,

Und die Irrstern in ihre Bogen schliessen,

Was nach hundert Jahrn sol geschehn, draus wissen:

Wie es Cunitia die Zier der Frauen

In unsterbliche Taffeln hat gehauen:


Es sey: daß sie durch Stern und Fern Gesichte

Uns die Ewigkeit machen hell und lichte:

Und im Monden eine andre Welt beweisen,

In die wir mit Gemüth und Augen reisen:

Drinnen Landschafften, Meer und Berge mercken,

Und den Schöpffer verehrn in seinen Wercken:

Wie es Hewelcke vor den Mund gerissen,

Und vorführet mit Grundgerechten Schlüssen:


Es sey: daß der verborgene Grund der Erden

Durch den Meß Stab erkundiget sol werden:

Und die Welt, die im Mittel noch sol stecken:

Die der Fuldische Kircher wil erwecken,

Der die Ursachen kan vom Licht und Schatten,

Und vom Zügstein und Einklang uns erstatten.
[204]

Es sey: daß das Geheimnüs in den Zahlen

Aus der Algebra uns sol überstrahlen:

Und der Staub aus des Epicurus Büchern,

Den Gassendus so künstlich weiß zu sichern.


Es sey: daß sie die Gottheit angeglommen,

Und wie Paulus vom dritten Himmel kommen:

Und den Schlüssel zu den geheimen Gründen

In dem Pathmoschen Offenbahrer finden:

Welchen unter den vier und zwantzig Alten

Unser Machæropoeus wil erhalten.


Es sey: daß sie Gericht und Recht verstehen,

Und nach Wissen und nach Gewissen gehen:

Weder Schulen noch Kirchen in nichts trennen:

Jedem seines /: Der Welt und Gott :/ zu nennen.


Es sey: daß sie die Hand auf Artzney richten,

Und das Meisterthum in dem Glase schlichten:

Und vom Ertzte, von Kraütern und von Thieren,

Durch ihr Alkahest Geist und Wesen führen,

Wie Montanus das fünffte von den Dingen

Konte machen, und sich damit verjüngen.


Und was Hellas, was vor der Zeit zum minsten;

Der Egyptier wust an weisen Künsten:

Und die Cabala uns bisher verhalten,

So von Engeln empfiengen unsre Alten:

Es sey, daß an des Deutschen Palmbaums Rinden

Es gepräget steht, oder sich wird finden.


Herr, nu unter so hochgepreisten Sachen,

Die zum Deutschlande Deutschland ersten machen:

Unter kunstreichen Wercken, die dem Orden

Der fruchtbringenden Ritterschafft sind worden:


Nehmet: weit von den wichtigen Geschäfften,

Die das Fürstliche Hertz an Sorgen hefften:

Wie die Wolfarth der Deutschen zu versichern,

Auf dem Reichstag an Waffen und an Büchern:

Auf dem Reichstag: auf dem das Wolvertrauen

Über Deutschland wird von dem Himmel schauen.
[205]

Nehmet: Draus wir noch sehn das Feuer schrauben,

Weit von Schlacht Schwerdtern, weit von Pickelhauben,

Die der Deutsche Carl und dann, als sie schlugen,

Wittikindus an Haubt und Faüsten trugen,

Und zur Erbschafft verliessen, wie sie lauten,

Dessen Enckeln gekrönt mir grüner Rauten.


Nehmet: weit sag ich von dem frommen Sorgen,

So die Sonne zu Abend und zu Morgen

Vor die Kirche, vor euer Land und Leute,

Euch zutheilet als eures Standes Beute.


Wann ein Lang Örchen unterm raschen Hetzen

Das erlauchte Gemüthe wird ergötzen:

Wann ein Schwartz- oder Roth-Wild unterm Sterben

Wird das theilende Weide Messer färben:


Wann die Zwiebeln von so viel bunten Arten

Sie die Tulipen mahlen in dem Garten,

Und Carnarische Zeißgen untern Zweigen

Das Gesicht und Gehör werden neigen:


Hertzog, wann die gelehrten Eitelkeiten

Nach der Taffel euch eine Lust bereiten,

Und der Traurigkeit suchen zu entladen:

Alsdenn Nehmet die Schluß-Reim an in Gnaden.


Sie sind: Alle setz ich dafür zu Pfande:

Kurtz an Worten, lang aber am Verstande,

Herb an Wurtzeln, süß aber an den Keimen,

Schwer an Lehren, leicht aber an den Reimen.


Kurtz: man kan sie bald nehmen, bald hinlegen:

Lang: man sol sie stets lesen, stets erwegen:

Herbe: wer sie wil nach den Worten setzen:

Süsse: wer sie kan nach dem Geiste schätzen:

Schwer: ein ieder sol nach den Lehren leben:

Leicht: ein ieder darff sich bloß Gott ergeben.


Statt der leutseeligen Ergötzlichkeiten:

Statt der kargen Vergessenheit der Zeiten:

Statt der fleissigen Müssiggäng und Wesen:

Sind die Reime zwar aufgesetzt zu lesen.
[206]

Aber: Er: wann er glüht von Abendtheuern,

Die sein hitziges Hertz und Haubt durchfeuern:

Wann die Göttliche Regung reitzt die Sinnen,

Mag der Tichter die Schluß Reim auch beginnen:

Er sol leben viel eh, als Reimen lernen,

Nicht nach Schaalen sich sehnen, sondern Kernen.


Er: wann Er: und was Er? wann sie vor Andern

Die Cunitia wird auf Sternen wandern,

Und den Ticho de Brahe übersteigen,

Mag ihr Antlitz sie auf die Staffel neigen.

Was sol jene thun? Es zeigt andre Wonne

Die am Creutzes Stamm angezweckte Sonne.


Er: wann er durch das Fern Glas auf den Höhen

In die Sterne des Himmels sucht zu gehen,

Und die Raumstadt, ein Reich von keinen Gräntzen

In Gesicht und Gemüthe siehet gläntzen;

Mag die Reime, durchfärbt von Wonn und Wesen

Der Beschauer der Wunder Gottes lesen:

Er kan inner sich Gott: in Gott die Sachen

Ihm bekannter als Galilæus machen.


Er: wann er mit dem Bley und Winckel-Eysen

Wil vom Nordstern an bis zum Creutze reisen,

Und die Ruhstatt der schriemen Nabe sehen,

Mit dem Fusse da stehn: die Welt umdrehen:

Welche ein Archimedes kont erfragen,

Mag der Feld Meßer auch das Buch aufschlagen:

Das Wort Gottes das hält die beyden Schrauben,

Das ergründet kein Dreyeck, sondern Glauben.


Er: wann er wil die Zahl auf Blätter schreiben,

Und bezifferte Zaubereyen treiben:

Wann er grossen Verstand daraus wird haben,

Weil das Ende der Welt Gott drein gegraben:

Das Johannes und Daniel erwehlen:

Mag der Rechmeister auch die Schlüsse zehlen:

Wer die Raitung der Welt, wie sie, wil schlüssen,

Muß auch Ihr Einmal Eins im Geiste wissen.
[207]

Er: wann er wird in Gottes Willen stehen,

Und des Glaubens Krafft in dem Geist erhöhen:

Wann der Geist das Licht wird schaun in dem Lichte,

Und Gott selbst von Gesichte zu Gesichte:

Wann in Gottes Bild ihn das Schaun wird setzen,

Hertz und Lehrstuhl erfülln mit reichen Schätzen:

Mag der Geistliche singen ohn Versehren

Auch dem Sterbenden diese weise Lehren.

Nicht sein, sondern das Wort sol er erheben,

Das im Buchstaben todt, im Geiste ist Leben.


Er: wann er wird das Recht den Klägern sprechen,

Und den Stab über Übelthäter brechen:

Schwerd und Wage befreyt von Blut und Gaben

Dem Gecreutzigten eingehändiget haben:

Und sein End Urtheil Christlich überlegen,

Mag der Richter die Zwey-Reim auch erwegen:

Wie er Menschen, so wird Gott auch Ihn richten,

Und so seine Sache, als er ihre schlichten.


Er: wann er wird das Ertz-Saltz überkochen,

Und den ersten Zeug aller Dinge suchen,

Wird den felsichten Rauch im Glase sperren:

Und die färbende Krafft des Wassers dörren:

Wird den Raphäel an dem Theil erheben,

Den mein Franckenberg an das Licht gegeben:

Und die Gabe des Höchsten drüber preisen,

Mag der Artzt die Gedicht auch Krancken weisen:

Er sol sich vor erforschen, drauff die Erde.

Ihm vor selber genung thun, drauff dem Heerde.


Auch, die über des Nilus Rätzel rathen,

Und die Wunderschrifft dieser Welt erstatten,

Die die Buchstaben vom Gewürm und Thieren

Itzt aus der Pharaonschen Mund Art führen.

Und die Wissenschafft von geheimen Dingen

Durch den Oedipus aus Egypten bringen.


Auch, die spannen auf Orpheus seine Saiten,

Und der Griechischen Argo Lauff begleiten,[208]

Die das goldene Fell beym Jason ehren,

Und das Meisterthum dieser Schiffarth lehren:

Die den Hertzens Grund der Natur aufschrauben,

Und uns heissen der Kunst nicht Glauben glauben:


Auch die, weil sie Gott so inbrünstig lieben,

In der Engel Gesellschafft sind geschrieben:

Und die Wahrheit, und voller Zuvertrauen

Die Selbständigkeit aller Dinge schauen:

Und die Weißheit, weit über Welt und Sternen

Hier aus Mercava, dort aus Bresith lernen.


Alle diese, wann sie die Sprüche mercken,

Werden ihre Gewerbschafft etwas stärcken.

Was ein Priester der Isis hält verborgen,

Was ein Argonaut eingeschifft voll Sorgen:

Was beschauen die wahren Cabalisten:

Was erglauben die Gotts gelehrte Christen.


Das ist sonder Berg in uns angeloffen,

Das ist sonder Sorg in uns zu erhoffen:

Das wird wol beschaut und zugleich umbschlossen:

Das wird wol erglaubt, und zugleich genossen:

Wo auf Worte nicht, sondern Acht auf Leben,

Nicht auf Lehre wird, sondern Geist gegeben.

Geist und Leben kan Wort und Lehre färben,

Und die Farbe behalten, wann wir sterben:

Und dis such ich der Ritterschafft im Guten

Des Fruchtbringenden Palmbaums zu zumuthen:


Aber: ist es erlaubet meinen Musen,

Die der Schreck-Schild beschützet von Medusen:

Und ich, darff ich vor das Gesichte treten,

Welches Mavors und Pallas selbst anbeten:

Hertzog: so sag ich /:aber gantz bescheiden:/

Fürsten mögen die Vers auch umb sich leiden.


Ob sie setzen, so wol was ihr Geschlechte,

Als das Römische Reich betrifft zu Rechte:

Und die Schwerdter vor beyder Freyheit schwingen,

Auf die Hand Pferd erhitzt in Harnschen springen:[209]

Und den Adler, und auf des Adlers Brüsten

Das Burgundische Creutz, als Deutsch und Christen:

Vor den Türcken und Gottes Feinden schützen:

Zu Gericht und zu Pferd in einem sitzen.

Daß das Kayserthum alle Welt erkenne,

Und es beydes gerecht und sieghafft nenne.


Ob sie setzen die Krafft von ihrem Stande

Deutscher Freyheit und ernster Zucht zu Pfande:

Wann die starren Gerippe grauser Ahnen

Sie zur eysernen Tapfferkeit ermahnen:

So auf Wallstäten stehn, und aufrecht sterben,

Und im Tode Befehl thun. Folgt ihr Erben!

Wie den Wittikind: wie vor grauen Zeiten

Unsern Herrmann sein Westphaln sahn streiten;

Der den Varus schlug, daß vor solchem Putzen

Mit den Mauern der Kayser wolte stutzen.


Ob sie setzen das Grundrecht der Gemeine

Und des Gottesdiensts zu dem Angelsteine:

Drauf der Münster- und Osnabrügsche Frieden

Eingemauert steht: Von Gefahr geschieden:

Und mit Bündnüssen ihre Ruh verstärcken,

Vor der Liebe des Volcks kein beßres mercken.


Ob sie dämpffen die stoltzen Feder Kielen

Auf den Lehrstäten, auf den Dreyfuß Stühlen,

Die den Gottesdienst und die Freyheit stören,

Durch ihr Dintenfaß Blutström in uns röhren:

Und viel Seelen verwirrn: und doch zusammen

Ihre Zanck Künst in Todes Noth verdammen.

Von dem Glauben Vernunfft und Ansehn scheiden,

Und sich trösten mit uns mit Gottes Leiden.


Ob sie beydes durch trauen und nicht trauen

Ihre Sicherheit hier und auswerts bauen:

Und den Fürsten des Friedens unter Vieren,

Unsern Ferdinand mit der Krone zieren,

Die der Adler bereit zum guten Zeichen

Auf die Hungrisch und Böhmsche wolte reichen,[210]

Den um Schweidnitz wir bey der Huldung fiengen,

Biß die Vierdte der Vierdte wird erschwingen.

Und wo Gottesfurcht, wo ihr eigne Töchter

Weißheit und Mässigkeit ziern die Geschlechter,

Und aus Fürsten vermenschte Götter machen,

Kan kein Göttlicher Fürst in Deutschland wachen;

Ob die Engel ihn unter ihren Thrönen

Solten selber erwehlen und bekrönen.


Ob sie, sag ich: Gedancken, und Gedancken,

Die recht Fürstlich sind, die niemals nicht wancken,

Ausser dienstbaren Mund und Hertzen führen,

Und die Adern vom Deutsche Blute rühren,

Drinnen Geister der edlen Freyheit wallen,

Doch sol ihnen dis Buch, hoff ich, gefallen.


Nicht umbsonsten. Es werden draus auf Erden

Menschen, unter den Menschen, Menschen werden.


Wir: das Ebenbild: das nach Gott entsprossen,

Wir: das Wunderwerck: das aus Gott geflossen:

Wir: das Meisterstück, das von Gott erkohren,

Hatten unter uns Gott und uns verlohren.

Gott: wir liessen uns seinen Geist nicht führen:

Und wir giengen von Engeln zu den Thieren.

Draus kam, daß wir worden, wie zu schauen,

Aus dem Ebenbild ein Thier voller Grauen:

Aus dem Wunderwerck ein Ziel aller Stürme:

Aus dem Meisterstück ein Aas grauser Würme.


Doch es könt' in dem Abgrund unsrer Seelen

Sich ein Füncklein der Göttlichkeit verheelen:

Welches, wollt es gleich Höll und Tod vorschweiffen,

Doch den Trost der Errettung könt' ergreiffen.


Unterm Grauen ward uns' das Wolbehagen

Untern Stürmen die Ruhstatt angetragen:

Untern Würmen des Lebens Glantz und Frieden:

Doch mit ewigen Klüfften unterschieden.


Als das Zitternde Füncklein untern Banden

In gebährender Angst und Zeit gestanden:[211]

Schleust das Tieffste das Höchst in sein Begehren,

Uns den Trost der Errettung zu gewähren.


Das gewährn, das Erretten, das Vertrösten

Machte zwischen Verdammten und Erlösten

Ein Heil-wirckendes Creutz: aus den Verdammten

Gehn Erlöste vor: Christen aus gesammten.


Als die Cabala kam vom Weibes Saamen,

Ward das Füncklein durchgläntzt von Gottes Nahmen,

Drauf sich steiffet des Glaubens gantzer Orden

Weil das Wort Fleisch, und Gott Mensch drüber worden.


Das selbständige Wesen alles Wesen,

Ohn das nichts, durch das alles muß genesen,

Wolt aus innerster Grund- Erbärmbd uns zeigen,

Wie wir Himmel an wieder solten steigen.


Er läst uns durch zwey Weg' in zweyen Büchern

Dessen aus der Natur und Schrifft versichern:

Der Natur Weg ist heimlich, der Schrifft offen,

Beyde zeigen uns, was wir sollen hoffen.


Die Natur ist ein Licht, das vorgebrochen,

Als das ewige Fiat ward gesprochen:

Das im I seinen Ausfluß hat gefunden,

Der ohn Ende sich an das A gebunden:

Und so allen Geschöpffen eingegeben

Geist und Wesen, Gestalt, und Licht und Leben.

Dieses FIAT, das ist das Wort und Wesen,

Das Gott selbsten war, und Gott hat erlesen:

Ist der Athem und Hauch, davon wir leben

Draus die Göttliche Lufft die Parcen weben,

Ist das Füncklein, das Weise sonder Gräntzen

In der reinen Vernunfft sehn wieder gläntzen:

Ist des heiligen Gottes grosser Nahmen,

Das erleuchtende Licht des Weibes Saamen:

Ist die Wahrheit, die alles ausgesprochen,

Die in allen ist, ob man sie wil suchen.

In uns ist ja was göttliches zu spühren,

Das zu Gott und der Wahrheit uns kan führen,[212]

Wann ein ziehender Schrack es angeglommen,

Zeigt das Creutze die Bahn, und du solt kommen.

Das Buch in der Natur, das kan uns weisen

Den geheimen Weg, den die Alten preisen.

Den hat Hermes am Leben und an Worten

Längst vor Mosen dort umb des Nilus Pforten

Nach der Sündfluth gelehrt voll Kunst und Güte

Im Pimander gelehrt vom himmlischen Gemüthe.

Diesen hat Zoroaster wollen lernen,

Der die Gründe der Welt, den Lauff der Sternen,

Und der Dinge Gestalt und Krafft erfahren,

Und ein König war erster Weisen Schaaren.


Den hat Pythagoras durch Stilleschweigen

Seinen Jüngern mit Fingern wollen zeigen,

Der die Wissenschafft von dem Obern Wesen

In den weisen Tetractys gab zu lesen.


Diesen hat die Idea auch gewiesen,

Welche Plato in seiner Art gepriesen,

Der kein andere Seeligkeit kan finden,

Als das Hertze Grundaus mit Gott verbinden.

Daß nu Gottes Geheimnüße vor allen

Durch das Heydenthum man euch hörte schallen,

Biß durch König und Priester Er gantz eigen

Den Chaldærn und Indien sie bezeigen:

So die Wahrheit, der Seelen edle Speise,

Ausgebreitet, verdeckter Art und Weise:

Und der Völcker, bey denen sie gelesen,

Übersinnliche Meister sind gewesen:

Weil sie vom Abraham drob lehrten herrschen,

In Egypten, vom Daniel in Perschen.


Wie von Ursach auf Ursach in den Dingen

Sie zur Ursach ohn Ursach endlich giengen:

Vor sich Menschen und Erd und Himmel nahmen,

Von der aüsren Gestalt zur innren kamen:

Biß die Sache sie, daraus alle gehen,

Unter einer iedwedern Sache sehen:[213]

Und, wann drinnen ihr Hertz und Geist zuflossen,

Unaussprechliche Süssigkeit genoßen;


Also machen die Menschen diese Reime

Durch den Weg der Natur mit Gott geheime:

Der von Staffel zu Staffel voll Behagen

Sein erbarmende Liebe uns angetragen:

Unser Füncklein geht an: wir sehn und fühlen

In ihm gründlich die Wahrheit wieder spielen.


Aber der Weg der Schrifft: Das Buch der Gnaden,

Das uns offenbahret unser Heil und Schaden:

In zwey Bünde, von dem Gesetz und Frieden,

Durch Verheissen und durch Gewährn geschieden:

Weiß die Cabala reiner auszugründen,

Die wir in Gott und seinem Worte finden.


Denn die Schrifft ist ein Licht, das gantz vollkommen

In dem Hertzen der Gottheit angeglommen,

Ist die Krafft, durch die Gottes Geist zusammen

Die Propheten erfüllt mit heilgen Flammen:

Ist das Wort, drauf den Grund der Ewigkeiten

Gott gebaut, den kein Teufel kan bestreiten:

Ist das Pfand, ist die Richtschnur, ist der Bronnen,

Draus die Seeligkeit in uns kömmt geronnen:

Hie wird, welches vor alle Ding erkohren,

Das unendliche FIAT selbst gebohren:


Hier ist, hätt es die Welt doch wahrgenommen,

Der versprochene Weibes Saamen kommen:

Was kein Weiser im Himmel ie erstiegen,

Sehn wir zu Bethlehem im Stalle liegen:

Dessen Cabala heist vor andern Lehren.

Dis ist mein lieber Sohn, den solt ihr hören.


Dieses haben, als sie in Geist gegangen,

Adam und Abraham von Gott empfangen:

Der ein Vater vom Fleisch, und der vom Glauben,

Beyden konte noch Noth, noch Tod es rauben.


Die hat Moses und Christus voller Gaben,

Der auf Sina, auf Sion der erhaben:[214]

Durch Gesetz geben und Gesetz erfüllen,

Uns zu offenbahrn unsers Gottes Willen.

Diese haben durch Gottes Geist getrieben,

Beydes Männer und Boten Gotts beschrieben:

Es bezeugt es der heilgen Märtrer Orden,

Daß durch Gottes Blut sie bestätigt worden.

Die hat Gott in der Christlichen Gemeine

Von dem ersten zu diesem Sonnenscheine

Vor des Teufels Gewalt und Trotz erhalten:

Die Sein Wort, nicht der Menschen lässet walten.

Vor der Kirchen, die bleibt bey diesen Worten,

Gehn zu Stücke der Höllen düstre Pforten.

Ja die Kirch, ob sie solt in eines Hertzen

Bloß bestehn, wir den Haß der Pforten schertzen,

Wann den Weg der Schrifft Sie nur nicht verlassen,

Ohn die Irrthümer Predigstuhl umbfassen:

Menschen Zeugnüsse fehlen: Gottes stehen:

Auf die muß man in Glaubens Sachen gehen.

Denn der Gottesdienst der besteht auf Erden

Bloß in dem, wie der Mensch sol seelig werden:

Den Weg zeiget die Schrifft, der sol er trauen,

So auf Gott durch sein Wort den Glauben bauen:

Und daß wir nicht gefähret sollen werden:

Wird Gott Mensch, und das Wort selbst Fleisch auf Erden.

Was der Väter Schaar aus den vier Buchstaben

Mit dem SIN vermischt, hochgewünscht zu haben,

Zeigt die Schrifft bloß vor uns; vor uns vorhanden,

Uns gebohren, uns gecreutziget, Uns erstanden.

Die sind, so nach der Schrifft durch IHN im Wesen

Die Barmhertzigkeit Gottes erglaubt, gewesen.

Wie sie alle Gewalt aus Gottes Güte

Durch ihr Hertze, durch Seel und durch Gemüthe

In die höchste ziehn, und sich drinnen leiden,

Biß in sein Verdienst sie der Herr wil kleiden:

Und drauf voller Trost mit erwecktem Muthe,

Rein und heilig von Christus Lehr und Blute.

Sich durch Schrifft und durch Geist, /:zwey starcke Schrauben: /[215]

In das Hertze der tieffren Gottheit glauben:

Das am Creutze der Heyland aufgerissen,

Sie durch seine fünff Wunden drein zu schliessen:

/:Wol verwahrt. Dann in Gottes Hertz und Gnaden

Kan noch Hölle, noch Teufel ihnen schaden:/

Also werden, wie Stahl mit Kieselsteinen

Den Verstand, die Vernunfft, den Glauben reinen:

Und durch Christus Verdienst das Hertz anfeuchten,

Draus wir werden sehn Gottes Gnade leuchten:

/:Wie sie, als ich sie von der Hand geschrieben,

Meinen edlen von Donat angetrieben,

Daß in einer Nacht er /:O theurer Orden:/

Ein Mensch, ein Christ, ein Gottesfreund ist worden.

Dessen eilender Tod ihm bald das Leben,

Das er drunter erblickt, in Gott gegeben:

Ja es werden, wilst du sie Grundrecht hören,

Also dich zu Gott ziehn die Weisen Lehren.

Hertzog: Vor Euch, wo es ihm wird gelücken,

Wird der deutsche Phaleucus sich nu bücken:

Als ein Wegweiser zweyer hohen Strassen,

Derer sich nach der Ordnung anzumassen:

Die im Tichten des Geists Entzückung fühlen,

Die der Sterne Gestalt und Lauff erzielen:

Die im Monden uns alle Sterne zeigen,

Seine Kugel durch Gläser zu uns neigen:

Die im Messen der Erden Wendung finden:

Die im Rechnen in Einem Alles gründen:

Die im Lehren Gemüth und Gott vereinen:

Die im Richten das Recht, nicht Menschen meinen:

Die im Heilen sich ziehn auf Gottes Seegen,

Der das Mittel kan in die Mittel legen.

Auch die: Wesen und Nahmen auszuführen,

Der Natur A. B. C. nach buchstabieren.

Auch die, welche den Grund der Erde suchen,

Und ihr glastendes Hertz aus solchem kochen.

Auch die voll Seeligkeit sabbathisiren,

Untern Thronfürsten Gottes Lob vollführen.[216]

Auch die, welche nach Ehre pflegt zu dürsten,

Wie vom Stande so vom Verstande Fürsten.

Wann sie ihr und des Reiches Ruh erwegen:

Wann die Freyheit sie schützen mit dem Degen:

Wann zu Gott sie durch sein Wort gehn und treten,

Wann sie Prediger heissen lehrn und beten.

Wann sie Reichstäg schliessen und drob halten,

Wann sie Ehrsucht und Feindschafft nicht kan spalten.

Kurtz: wer unter den Menschen sich im Leben

Über Menschliche Dinge wil erheben,

Und, daß er sey ein rechter Mensch, erweisen,

Muß die Strasse, sonst ist er kein Mensch, reisen.

Beyde haben im Hertzen und im Munde

Jene Schrifft, die Natur die zu dem Grunde.

Es geht beyder Grund, drauf kanst du dich schrauben:

Der Natur auf Verstehn, der Schrifft auf Glauben.

Ey nu /:wem auch wol solten sie sonst feyern:/

Wie die Tichter, was sie voll Gottheit leyern:

Wie die Sternfreunde, was sie sehn durch Scheiben:

Wie die Schauer, was sie erfahrn und schreiben:

Wie die FeldMesser, was die Stäbe tragen:

Wie die RechMeister, was sie überschlagen:

Wie die Priester, was sie im Geiste schauen:

Wie die Richter, was sie vor Urtheil bauen:

Wie die Aertzte, was sie bedachtsam suchen,

Und aus Kraütern, aus Ertzt, aus Thieren kochen:

Euch dem OberHaupt und nach dem Wort Zeichen

Dem Schmackhafften in der Gesellschafft reichen:

Hertzog: Also nehmt nach den Reichs Geschäfften,

Nach des Weinmarschen Hauses Zier und Kräfften:

Nach dem Gottesdienst und den heilgen Stunden.

Etwa: wie auf der Bahn das Wild von Hunden,

Wie die Blumen im Garten von den Reisen:

Wie die Frücht auf der Taffel nach den Speisen:

Das ist: wie es beliebt: die weisen Lehren.

Nehmt, und gönnt mir die Ehr, Euch so zu ehren.

Es sol Euer Land drum wie Raute stehen,[217]

Euer Haus wie der Palmbaum sich erhöhen,

Euer Hoff von gelehrten Leuten gläntzen,

Euer Ruhm mit der Welt die Wette gräntzen.

Ja es wird der Geburtstamm Eurer Printzen

Vor der Sonnen Gewalt am minsten blintzen:

Er wird mitten in Sie die Augen werffen,

Und nach Adlers Art sein in Euren schärffen.

Wol: Ich sehe wie sie voll Gottheit brennen:

Beyde Strassen mit freyen Zügeln rennen:

So die Schrifft und dann die Natur gebrochen,

Jen in Gott, in der Welt ist die zu suchen:

Jene Seeligkeit, die kan Weißheit geben,

Über Fürsten ein iedre Fürsten heben.

Gut: der Weißheit in der Natur nachschlagen:

Besser: Seeligkeit in der Schrifft erfragen:

An dem besten: Natur und Schrifft vergleichen,

Als der göttlichen Wahrheit feste Zeichen.

Und nichts weis', als was seelig ist, erkennen,

Und nichts seelig, als was da weis' ist, nennen:

Beyder Grund ist Gott fürchten und Gott ehren:

Den zeig ich der Gesellschaft in den LEHREN.


Mertzdorff.


Den 27. Herbst Monath

Des 1653. Jahres.


Quelle:
Daniel Czepko von Reigersfeld: Geistliche Schriften, Breslau 1930, S. 203-218.
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