Jacob Bohle und Ursula Vogt

10. Weinmonat 1650.


Gott geht nicht auff vnsern Wegen,

Seiner ist nicht vnser Rath,

Wie der Himmel ist entlegen

Von der finstern Erden stat,

Also hoch auch fährt sein Sinn

Vber vnsern Vorsatz hin.


Hätt es, Braut, bey dir gestanden,

Du bestündest warlich nicht

Wiederumb in Liebes-Banden,

Denn du woltest Trew vnd Pflicht

Vnserm wehrten Roberthin

Nach dem Tod' auch nicht entziehn.


Dritthalb Jahre sind vergangen,

Seit durchaus dich keine Gunst,

Keine Liebe können fangen

Ohn allein des Höchsten Brunst,

Welchem du mit aller Macht

Hast gedienet Tag vnd Nacht.


Niemand hat bißher vernommen

Dich zu einer Frewde gehn,

Wenn ich nur bin zu dir kommen,

Sah' ich dich betrübet stehn,

Es vertrieben dir die Zeit

Andacht, Still vnd Einsamkeit.
[256]

Bräutgam, Gott hat angesehen,

Wie du dich bißher gekränckt,

Hat auff dein Gebeht vnd flehen

Ihr den harten Sinn gelenckt,

Daß sie sich mit Hertz vnd Hand

Endlich noch zu dir gewand.


Diese schöne Zucht-Geberden,

Dieser thewren Vnschuld Muth,

Der Verstand sol dein nun werden,

Sieh, was Gottes Rath nicht thut:

Roberthinen Glück vnd Zier

Wird nach seinem Tode dir.


Die der Löbnicht hält erkohren,

Der sich warlich sehr erfrewt,

Daß er Sie nicht hat verlohren,

Hätt ein ander Sie gefreyt,

Die den Ruhm der Keuschheit trägt,

Wird dir jetzund beygelegt.


O mit was erfrewten Sinnen

Wirst du an dein Ampt nun gehn,

Wirst viel Seelen Gott gewinnen

Vnd für seiner Herde stehn

Aller Trew vnd Vnschuld voll,

Als ein Seelen-Wächter sol!


Sol ich grosse Wünsch' hie fassen?

Zwar es wäre meine Pflicht,

Gott wird euch vorhin nicht lassen,

Solcher Heyraht fehlt es nicht:

Die Braut bringt durch jeden Trit,

Bräutgam, tausent Segen mit.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 254-257.
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