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[257] 2. NewjahrsMonat. 1651.
Was ist in der gantzen Welt,
Das sich gleich der Liebe hält,
Alle Sachen gehen ein,
Sie besteht Jahr aus Jahr ein.
Heut und Gestern hebet man
Erst die newe Jahrs-Zeit an,
Stracks thut Liebe sich hervor
Vnd schleust auff der Zeit das Thor.
Eh sonst etwas wird gethan,
Machet sie sich auff die Bahn,
Vnd wil aller Ding' allein
Anfang, Haupt und Vorsprung seyn.
Vberall wird Ruh gespürt,
Nicht ein Hammer wird gerührt,
Sag und Höfel fleucht die Hand
Vnd hangt müssig an der Wand.
Auch der Weisen Bücher Fleiß
Hat anietzt noch schlechten Preiß,
Beydes Raht-Hauß und Gericht
Weiß so bald von Arbeit nicht.
Aber sie hält in der Lufft
Nicht ohn grossen Zeug und rufft,
Daß von ihrer Stimme Wald
Vnd Gebirge wiederschallt:
Meint ihr, weil ihr müssig geht,
Daß mir frey zu feyren steht?
Nein, gleich wie der Sonnen Rad
Keinen Blick zur Musse hat,
Wie der Mond auch immer eilt,
Vnd Merkur sich nie verweilt,
Wie die Ström' auff nasser Bahn
Stets gehn in den Ocean,
So muß ich im gleichen fort
Hie und sonst an allem Ort,
Vberall werd ich begehrt,
Ich bin aller Sachen Wehrt.
Wenn zur süssen Ruh sich legt
Was sich hin und wieder regt,
Hüllet Mensch und Vieh sich ein,
Muß ich immer wache seyn.
[257]
Ich bin der Natur Gestalt,
Mutter, Leben, Vnterhalt,
Erde, Lufft und Himmels-Zier
Vnd die See gehöret mir.
Was? Ich schwere bey der Glut,
Die auch ausdörrt Tieff' und Flut,
Bey dem Hertzen, dessen Brand
Vberall kriegt oberhand,
Daß, im fall ich solt' entstehn,
Alles unter-müßte-gehn.
Wie die Göttinn also schreyt,
Wird ihr Völcklein hoch erfrewt,
Daß sich ihr gern unterstellt
Vnd durch sie sich bloß erhält,
Was von Schencken überall,
Jauchtzt mit grossem Frewden-Schall.
Stuben-Rauch und Fewer-Herd,
Was sich vor der Hochzeit nehrt,
Kinder, Mägde, Weib und Mann
Beten Sie die Göttinn an.
Höff' und Gärten in gemein
Müssen stracks gesaubert seyn,
Schilde werden auffgehenckt,
Vnd die Willkomm außgeschwenckt.
Erato stimmt ietzt wie vor
Die Viol und das Bandor,
Auch die andern Instrument,
Weil das grosse Wachs-Liecht brennt.
Welcher Bräutgam schwingt die Fahn,
Vnd bricht allen erst die Bahn?
Wer schärfft erst die Feder mir?
Mein Herr Wegner, das seyd ihr.
Wir sind Zeugen allerseit
Ewrer langen Trawrigkeit,
Wenn wird ewer Witwenstand
Dann in Heyraht umbgewand?
Nun, ihr gebt der Liebe Raht
Vnd des Himmels Satzung stat,
Habet euch ein Lieb erkiest,
So recht ewers gleichen ist.
Ihr seyd beyde gleicher Glut,
Beyde Bürgermeisters Blut,
Beyde gleich an Zucht und Trew
Vnd an Tugend mancherley.
Pallas hat mit milder Hand,
Bräutgam, euch sich zugewand,
Juno ziert die Braut mit Pracht,
Venus mit der Schönheit Macht,
Cynthia mit keuscher Zucht,
O der schönen Liebe Frucht,
Die als solcher Tugend Lohn,
Seyn wird ewres Hauses Krohn.
Auff und säumt euch länger nicht,
Luna wacht mit ihrem Liecht,
Auch des Abend-Sternes Gold
Wil, daß ihr euch förtern sollt.
Wil die Braut es nicht verstehn,
Nicht gern von dem Tantze gehn,
Bräutgam, greifft sie ernstlich an,
Vnd seyd in der Zeit ihr Mann.
Wendet sie wo Einfalt vor,
Gebt der Ausflucht nicht ein Ohr,
Keine Wissenschafft ist je
Leichter ausgelernt als die.
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