Demüthigstes Geleit, da Se. Churfl. Durchl. auß dero Herzogthumb Preussen in die Marck Brandenburg zu reisen entschlossen

[173] den 17. Hornung 1643.


Marchia Te vocat hinc, vetat hinc Te Prussis abire,

Armat utrinque suam justa querela Deam.

Cernere difficile est, cui Tu concedere malis,

Illius Pietas causam agit, Hujus amor.

Quid facias, Friderice? viam Tibi Prussia pandit,

Marchidos et sit, ait, corpore, mente Meus


Können wir mit keinen Sachen,

Held, Dir länger Seumnis machen?

Muß dein Auffbruch dann geschehn?

Ach was schaffstu uns für Schmertzen!

Und mit was betrübtem Hertzen

Zwingstu uns Dir nachzusehn!


O das Helm, Geschoß und Degen

Und was Deutschland aller wegen

Auff den Grund verwüstet hat,

Umbgeschmoltzen wehr' in Pflüge!

O das Rhue für wilde Kriege

Hielt' umbschlossen Dorff und Stadt!


Preussen könt' jetzt Dich behalten,

Dörffte tödtlich nicht erkalten,

Nun dein Sinn dahin gedenckt,

Wo-es-her Dich, sein Verlangen,

Kurtz vor diesem hat empfangen

Nur nicht auff den Todt gekränckt.


Deutschland wird es mir verzeihen,

Fridrich Wilhelmen jhm leihen

Hat zu grosse Furcht und Pein.

Brandenburg wird zweene melden

So daselbst, O thewre Helden!

Kurtz hievor verblichen seyn.


Du auch kuntest, einer Leichen

Schon gar ähnlich, kaum entweichen,

Und man solte Furcht-lohß stehn,

Nun wir Dich sehn von uns scheiden?

Sehn Dich Sicherheit hie meiden,

Dort in Schwerd und Flamme gehn?


Nein, wir haben auff dein Leben

Weit ein mehrers noch zu geben:

Theseus war Athenen Zier,

Hector noch zuletzt vorhanden,

Worauff Trojen Reich bestanden,

Wir bestehn auff Gott und Dir.


Kan ich, bin ich recht bey Sinnen,

Auch die Welt so lieb gewinnen,

Daß ich sollt' auf Deinen Todt

(Den Gott ja nicht müss' erleuben)

Länger wollen übrig bleiben,

Nur zu Hertzeleid' und Noht?


Aber Lieb' und das Geblüte

Reisst nur von uns Dein Gemüte,

Deine Marck hat Dich besiegt,

Die von Leid' und Angst durchfahren

Blutig und mit freyen Haren

Dir zu sehr für Augen liegt.
[173]

Die zu Tag und Nacht mit Thränen

Nur nach Dir sich weiß zu sehnen,

Spricht: Wie lang doch, O mein Liecht,

Suchstu noch mich außzuschliessen?

Sol ich ewig dann nicht wissen,

Ob ich Dein sey, oder nicht?


Zehl die Unzahl meiner Wunden,

So ich diese Jahr empfunden,

So wirst Du des Meeres Sand

Leicht auch überschlagen lernen,

Ja die grosse Zahl der Sternen

Wird dir nicht seyn unbekant.


Wenn hat mich nicht Glut verzehret?

Wenn nicht Pest und Schwerd verheeret?

Wenn nicht Rauben und Gefahr

Mir auff Marck und Bein getroffen?

Wer hat nicht mein Blut gesoffen,

Daß ich nicht bin die ich war?


Gleichwol hab' ich alle Plagen

Immer mit Gedult ertragen,

Nur des grimmen Todes Macht,

Die Drey Fürsten mir genommen

Eh drey Jahr herumb seyn kommen,

Hat mich gantz von mir gebracht.


Nun bin ich erst allermassen,

Hoch betrübt und gantz verlassen,

Wann ich dir auch frembde bin;

Sag, was ist doch mein Gebrechen?

Warumb muß dein Zorn sich rechen

Und lenckt von mir Deinen Sinn?


Bin ich nicht für Gott mit Behten

Umb Dein Wolergehn getretten,

So kömpt recht mir diese Pein.

Ja ich wil auff aller Erden

Ein Geläch' und Schawspiel werden,

Und der Völcker Mährlein seyn.


Merckstu aber auff mein Flehen,

Warumb muß ich Dich nicht sehen?

Ist nur Preussen die Du liebst?

Wormit hat sie Dich berücket,

Daß Du, gantz in jhr verstricket,

Nichts auff mich, Dein Erbtheil, giebst?


Ach vielleicht empfindstu Grawen

Mich die heßlich' anzuschawen,

Weil ich bin so wüst und leer?

Keiner weich' ich leicht an Gaben,

Kan ich dich nur umb mich haben,

Komm, mit Dir kömpt alles her!


Herr, die Asche Deiner Ahnen,

So die trewsten Unterthanen

Bey mir fanden jederzeit,

Sol ein Zeugnuß mir ablegen,

Ob du mich des Jammers wegen

Billich setzest an die Seit'.


Hat Dich sonst wer auffgenommen,

Als Du an dieß' Liecht bist kommen?

Wer? Hab ich es nicht gethan?

Daß Du nach der Zeit dein Leben

Hie schier hättest auffgegeben,

Bin ich da wo schuldig an?


Wer warff deinen Vater nieder?

Preussen gebe mir Ihn wieder,

Mir steht auch mein Urtheil frey.

Was der Schluß des Himmels schaffet,

Der uns Häupter giebt und raffet,

Misst man uns mit Unrecht bey.


Ich bin nicht die ich gewesen,

Doch kömpst Du, ich wil genesen,

Komm, weil noch ein Geist in mir!

Kömpstu nicht, ich sterb' indessen,

Wem doch hastu zu-zu-mässen

Meinen Untergang als Dir?
[174]

Herr, der ist von Stahl' und Steinen,

Welcher diese Klag' und Weinen

Hört mit unbewegtem Muth':

Und Du solt Bedencken tragen,

Nach derselben Noht zu fragen,

Die so sehnlich nach Dir thut?


Es ist war, die lieben Leute

Sind zu lang des Krieges Beute,

Sind zu lang ohn Glück und Rhue,

Wolten gern sich wieder bawen,

Wo sie einig noch auff schawen,

Sind nur unser Gott und Du.


Darumb bistu nicht zu hindern,

Nichts muß deinen Vorsatz mindern.

Du gestehst uns kaum ein Wort.

Deine Wagen-Rosse schreyen,

Dein Geleit, die Preussschen Freyen

Sampt der Leib-Hut ist schon fort.


Was hör ich für Leid und Heulen?

Mustu denn so von uns eilen?

Spricht die Mütterliche Trew.

Und man weiß für Weh und Klagen

Dir kaum gutte Nacht zu sagen,

Alles führet nur Geschrey.


Deine Schwestern, die Göttinnen,

Können sich nicht eins besinnen,

Was mit Ihnen jetzt geschieht:

Die Fraw Mutter kan bey weiten

Dich für Wehmut nicht geleiten,

So man umb und an Ihr sieht.


Aber alles Ach und Flehen

Ungehört, unangesehen,

Thustu was Dein Schluß bestimmt,

Wie, wann Mast und Ruder krachen,

Aeolus für Sturm-erwachen

Gäntzlich kein Gebeht vernimmt.


Also wer in frembden Landen

Ist verknüpfft in Liebes Banden,

Wenn die Braut Ihn kommen heisst,

Wird Ihn nichts zu halten wissen,

Biß Er sich der Freunde Küssen

Endlich mit Gewalt entreisst.


Nun wir lassen Dich schon fahren,

Aber alle Himmels-Scharen

Nehmen Dich in trewe Hut,

Müssen auß und ein Dich führen!

Dessen nichts kan Götter rühren,

Was uns Menschen Schaden thut.


Mars müss' allen Grimm und Waffen,

Wenn Du kömpst, bey Seite schaffen,

Müss', in deine Huld verliebt,

In ein Lachen stracks verkehren

Aller Länder Müh und Zehren,

Die Er jetzt noch sehr betrübt!


Bring auff Aller Leid und Klagen,

Held, mit Dir hinauß getragen

Wolstand, Gnüg und güldne Rast!

Thue, was Dich die Sterne heissen,

Wiss' nur, daß Du auch in Preussen

Viel von Deinem Hertzen hast!

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 2, Halle a.d.S. 1937, S. 173-175.
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