[211] 13. Jenn. 1647.
Ich sah' in hoher Lufft Sorwisen newlich schweben
Mit einer hellen Wolck' an Kleides stat umbgeben,
Ein weit gestirnter Schweiff lag umb sie her gestreckt,
Und Strahlen hatten ihr das schöne Haupt bedeckt.
Sie führte zum Geleit viel tausend heilge Knaben
Und Jungfern, die gesampt der Unschuld Zeugnis haben,
Die Sonne war noch nicht von ihrem Schlaff erwacht,
Das Morgenroth brach an, und hieß die dunkle Nacht
Gemählich lichter seyn. Der Himmel geht von sammen
Und zeigt sein inner Theil von lauter Glantz und Flammen,
Wie wann man sonst in Kalck- und Ziegel-Ofen sieht,
Da alles von der Loh und liechtem Brande glüet,
[211]
So schien auch dieses hier. Ein Stuel von Edel-Steinen,
Die heller als der Mond' und ungleich alle scheinen,
Steht mitten ein gestellt, umb den viel Wolcken gehn,
Und Geister, die umbher theils fliegen, theils auch stehn.
Der aber auff dem Thron ward für den Seraphinen,
Die Ihm ohn unterlaß verdeckt mit Flügeln dienen,
Für dießmal nicht erkant, nur dieß ist kunt allein,
Daß Er voll Heiligheit und Schrecken müsse seyn.
Sorwiese fällt vor Ihm in tieffster Demut nieder
Sampt ihrer kleinen Schaar, und ehrt durch süsse Lieder
Den, welchen alles ehrt, sie rühmet seine Trew
Und daß Er ihr noch jetzt für andern gnädig sey.
Sie danckt Ihm alles Glück, und weiß nicht gnug zu melden
Von ihrer Sicherheit, vorauß den thewren Helden
Vom Hause Brandenburgk, des Himmels Bild und Pfand,
Trägt sie dem Höchsten vor und fleht für seinen Standt.
Sie hat gehört, Er sey die Eh nun eingetretten,
Warumb sie ihren Gott so ängstig offt gebehten,
Dieß rühmet sie vorauß so löblich, als sie kan,
Und hebt in vollem Chor ein solches Dancklied an:
Herr aller Himmels-Schaaren,
Dein Nahm ist hoch und her,
Wie haben ihn erfahren
Auff Erden und im Meer,
Kein Abgrund, keine Tieffe,
Die Bahn der schnellen Schiffe,
Ist deiner Herrschafft leer.
Du wohnst in einem Glantze,
Dem sich kein Mensch getrawt,
Führst umb dich eine Schantze
Von Wahrheit auffgebawt,
Dich muß stets Recht begleiten,
Und Trew wird aller Seiten
Umb dein Gezelt geschawt.
Geliebt dir was zu schaffen,
So steht dir nach der Reih
Natura in den Waffen,
Und horchet was es sey:
Dir tretten Hagel, Flammen,
Sturm, Schnee und Frost zusammen
Und ungefärbte Trew.
Du giebst den Kreiß der Erden
Den Menschen-Kindern ein,
Ein Fürst sampt seiner Heerden,
Gott, huldigt dir allein,
Dich schewt die Macht der Kayser,
Du lessest grosse Häusser
Offt gantz ohn Erben seyn.
Nimst du ein Land, O Richter,
In deines Eifers Sinn,
So raffst du ihm die Lichter
Der frommen Herrschafft hin,
Und lässest nicht ohn Leiden
Es andre Herren weiden,
Die Schuld bringt den Gewinn.
Uns aber wilst du mehren
Das Brandenburger-Reiß,
Von dem wir jetzund hören
Der thewren Heyraht Preiß,
Der Held folgt deinem Willen,
Als den Er zu erfüllen
Für allen Dingen weiß.
[212]
Du hast, Herr, unser Flehen,
So wir für Ihn gethan,
Nun gnädig angesehen,
Suchst unsrer Hoffnung Bahn
Und sichern Stand zu machen,
Und zeigst, worauff in Sachen
Sich Preussen gründen kan.
Die Furcht ist nun verschwunden,
Das Schrecken liegt verheert,
Der Trost ist wieder funden,
Der reiche Trost, und kehrt
Gantz zu uns dein Gemüte,
Sind wir der reichen Güte,
Getrewer Gott, wol wehrt?
Nun wird man Segen schawen,
Der Friede wird bestehn,
Der Gottesdienst sich bawen,
Das Recht im Schwange gehn,
Das Feld wird trächtig blühen,
Der Hauß-Stand Kinder ziehen,
Von Gnüg und Vorraht schön.
Ist dir so viel gelegen
An diesem Lande? Nein!
Von deines Namens wegen
Liebst du uns, Herr, allein,
Denn soltest du auffbürden
Uns unsre Schuld, was würden
Wir arme Leute seyn?
O hilff es uns erkennen,
Und laß uns gegen dir
In Wieder-Liebe brennen,
Und nimmer mit Begier
Des Hertzens von dir wancken,
Für allem laß uns dancken
Dir solcher Heyraht Zier.
Man müsse, Gott, dir halten
Ohn Heucheley und List,
Bey Jungen und bey Alten,
Was dir gelobet ist,
Das Land soll vor dir springen
Und gantz einhellig singen:
Daß du barmhertzig bist.
Erhalt die Eh' im Segen,
Die sich von dir entspinnt,
Laß sie sich, Vater, regen
Durch Kindes-Kindes-Kind,
Daß ihr soviel auff Erden
Berühmter Häupter werden,
Als Stern am Himmel sind.
Sorwise hatte kaum dieß Danck-Lied vollenzogen,
Als durch des Himmels Saal ein Engel kömpt geflogen,
Der in der lincken trägt ein güldnes Heyraht-Bandt,
Und eine Liebes-Kertz in seiner rechten Hand:
Ein ander trägt ihm nach ein Buch, darin verschlossen
Der Sam' enthalten ist der grossen Ehgenossen
Vom Hause Brandenburg wie von Orangen auch,
Inmittelst aber wird der Himmel voller Rauch,
Und ein new Hochzeit-Lied von hundert tausent Zungen,
Die über allen Witz der Menschen gehn, gesungen.
Sorwiß und ihre Schaar schleust sich den Wolcken ein,
Und darauff kömpt die Sonn auch mit dem Tages-Schein.
[213] Sonnet.
Gerücht, wie daß du jetzt geschwiegen?
Du schwatzest sonst ohn Maß und Rhu,
Kein Argus ist so wach als du,
Kein West-Sturm weiß dir gleich zu fliegen,
Kein Blitz nimmt Wettlauff mit dir an,
Was Ost und West mag thun und sagen,
Wird plötzlich vor dir außgetragen,
Wo kaum die Sonn hinreisen kan.
Wer hat dir jetzt gelähmt die Flügel und die Zungen,
Daß also späth auß Niederland
In Preussen her das thewre Band
Der grossen Hewrath kombt gedrungen?
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