Frülings-Lob-und Dancklied

[92] Ey so gäbt Gott allerseit

Nun auch Lob und Danckbarkeit!

Sprächt: sey hoch, o Gott, geehrt,

Der du unsre Klag erhört!

Du bist Herr und gibst allein

Frewd und Trost nach Angst und Pein

Vnd nach Regen Sonnenschein.


Gott, dich rühmet Hitz und Kält

Vnd dir spielet Wald und Feld,

Dich erhebet Tag und Nacht;

Alles, Herr, hastu gemacht.

Flüß und Meer und ewer Grund

Vnd jhr Winde thut jhn kund,

Er gedenckt an seinen Bund.


Es erfrewt sich Land und See

Nach dem langen Frost und Schnee.

Alles, was sich regen kan,

Nimt ein newes Leben an:

Kälte, Traurigkeit und Wust

Wird gekehrt in Gnüg und Lust,

Nun du deinen Schatz auffthust.


Itzt geusst sich dein Segen auß

Vnd erfüllt Land, Stadt und Hauß.

Wenn sich deine Hand auffthut,

Trieffen wir von deinem Gut;

Es wird Furchtbarheit gehegt,

Wo sich hin dein Fußstapf regt,

Der Milch, Oel und Honig trägt.


Itzund nimt der Ackersmann

Sich des Landes Arbeit an;

Wild und Hauß-Vieh ist erfrewt

Ob der schönen Vorjahrs-Zeit,

Weil Du's gnädig angeblickt

Vnd jhm Nahrung zugeschickt,

Die sein mattes Hertz erquickt.


Bäch und Ströme fliessen klar,

Da der geylen Kälber Schaar

Neben hin mit springen geht.

Vmb die liebe Morgenröth

Hört man durch Geschrey und Klang

Tausent Vögel Lobgesang,

Alles sagt dir Preyß und Danck.


Itzund wird nach seiner Art

Wald, Gepüsch und Feld gepaart,

Auch der Fische Heer, o Gott,

Mehrt sich jetzt auf dein Gebot.

Graß und Laub kömpt jtzt herfür,

Alle Bäum und ihre Zier

Grünen jhrem Schöpffer, Dir.


Es bemühet sich die Bien,

Vmb jhr Honig außzuziehn,

Vnd die Schwalb hengt jhr Gemach

Vnter armer Leute Dach.

Summa: alles ist belebt,

Nun dein Segen sich erhebt

Vnd umb uns, dein Völcklein, schwebt.
[92]

Aller Augen sehn auf dich,

Herr, so lang, biß gnädiglich

Jeglichem zu rechter Zeit

Seine Kost wird außgestrewt.

Sihest du uns gnädig an

Vnd was giebst, so samlet man

Daß noch übrig bleiben kan.


Thustu deine Hand nur auf,

So sind wir erquickt zu hauf.

Nimstu dann dein Antlitz hin,

So entfällt uns Hertz und Sinn:

Wir sind stracks deß Todtes Raub

Vnd verwelcken wie ein Laub,

Biß wir werden Asch und Staub.


Herr, die Allmacht deiner Hand

Legt umb unsre Zung ein Band:

Rühmen wir dich noch so sehr,

Du bist tausendmahl noch mehr.

Nichts doch lässt ergründen sich,

Was ein Mensch erkent umb dich,

Deine Gnade sonderlich.


Erd und Himmel wird vergehn

Mond und Sonne nicht bestehn,

Aber deiner Gnaden Schein

Wird für allen Ewig seyn

Vnd in dem vorauß verliebt,

Der sich hie Dir Kindlich gibt,

Vnschuld, Lieb und Demuth übt.


Herr, nim die nicht von uns hin,

Fehlet uns gleich Geist und Sinn.

Laß uns durch derselben Kraft

Sämptlich werden hingeraft.

Sie sey täglich uns vernewt;

Hilf durch sie zu aller Zeit

Vnsers Lebens Dürfftigkeit.


Was dein Segen jtzt verspricht,

Fehl hernach im minsten nicht.

Hagel, Sturm, Frost, Näss' und Brand

Sey von uns fern abgewand.

Du weist, Vater, was uns Noth:

Gib uns täglich unser Brodt

Vnd den Himmel auff den Tod.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 92-93.
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