Achter Reim

Venusinens Besuch bei Sankt Peter auf dem Peterstuhl

Mit dem Zwölfuhrschusse,

Bei dem schönsten Wetter,

Trat die Venusine

Ein bei dem Sankt Peter.


Herrlich sind die Hallen,

Und der schlimmsten Heidin

Mußten sie gefallen.


Manche Marmorfließe,

Manche von den Säulen

Kannte Venus wieder

Und verbiß das Heulen.


Vieles, was da schmückte,

Kam von alten Tempeln,

Wo man ihr sich bückte.


»Möcht' heut keinen Tempel.«

Menschen, wenn auch beten,

Gutes und auch Böses

Sie doch immer täten.


Aber schöne Hallen,

Wo man sich ergötzet,

Das tät mir gefallen!


»Guten Morgen Peter!«

Zu dem Bronzebilde

Nickte Venusine.

Peter dankte milde,


Bat sie Platz zu nehmen

Neben ihm im Stuhle,

Auf dem Unbequemen.
[87]

»Sitz hier schon zu lange,«

Sprach der alte Peter;

Sprach gleich von Geschäften

Und nicht erst vom Wetter.


»Keiner will mehr glauben,

Nicht an Höll' und Himmel,

Zeit tut's jedem rauben.


Sag mir Venusine:

Hast Dich nicht verändert!

Auch die Augenlider

Sind wie stets berändert.


Hast Du wen gefunden,

Der in Rom Dich liebte,

Wenn auch nur für Stunden?«


Venusin errötet:

»Lieber Indiskreter,

Alles mußt Du wissen,

Beichten soll ich Peter?


Selten fand ich Leute,

Die ich lieber küßte,

Als den Teufel heute.«


»Weit soll nicht der Himmel

Von der Hölle liegen!

Darum, Venusine,

Sollst 'nen Kuß Du kriegen.


Darf ich mir erlauben?«

Eh' noch Venus hörte,

Tat Sankt Peter rauben.
[88]

Venus lacht und plaudert:

»Was ich fragen wollte:

Wie geht's Magdalena,

Die bereuen sollte?


Immer wollt ich wissen:

Tat sie Deinen Herren

Damals niemals küssen?«


»Geh, schwätz nicht Nusine,

Lene wollt' schon gerne.

Doch der Herr, verstehe,

Hielt sich Weiber ferne.«


»Doch«, rief Venusine

»Lazarusens Schwester

Hegte für ihn Minne!


Küßt' er nie Maria,

Die kein Kochtopf quälte,

Und von beiden Schwestern

S' beste sagt man, wählte?


Wenn sie ihn nicht küßte,

Wo wohl dann das beste

Sie da finden müßte?


Und Pilatus' Gattin?

Nachts sie von ihm träumte.

Wenn er die nicht küßte,

Bestes er versäumte.


Hat ans Kreuz er müssen,

Weil er niemals liebte

Und kein Weib wollt' küssen?«
[89]

»Du fragst wie die Heiden,

Heute fragt so Keiner.

Nur ich Dich verstehe,

War ja selbst mal Einer.«


Also plaudert Peter.

Lenkt dann das Gespräche

Endlich jetzt aufs Wetter.


»War der Himmel freundlich

Auf der Hierherreise?

Kamst du mit dem Auto

Oder D-Zugsweise?


Sag, wie ist das, sage:

Schlafen nie die Bahnen?

Fährt man Nacht und Tage?


Und noch Eines höre:

Weißt Du, die Sibylle,

Die einst einem Kaiser

Heimlich und in Stille


Ferne Zukunft sagte,

Diese Zeit wie heute

Ihm zu schildern wagte,


Meinte: wenn die Menschen

In die Ferne sprechen,

Durch die großen Alpen

Große Löcher brechen,


Und dann auf der Erde

Wagen einfach laufen,

Wagen ohne Pferde, –
[90]

Dann kehrt auch die Wollust

Zum Olympe wieder,

Und die Kreuze fallen

Von den Kirchen nieder.


Sag mir«, zittert Peter,

»Stehen so die Dinge?

Ist es solches Wetter?« –


Venusin nicht gerne

Greise bange machte,

Sprang vom Stuhl herunter,

Guckt' hinauf und lachte.


Rief: »Ich möcht vergehen!

Find's so furchtbar komisch,

Küßt man Deine Zehen!


Kam da just ein Mönchherr,

Sah uns beide plaudern,

Ist zum Papst gelaufen,

Sagt's ihm unter Schaudern.


Darum will ich gehen,

Will Dich nicht blamieren.

Peter, Wiedersehen!«


Venus wirft 'ne Kußhand,

Lief zur Ledertüre;

Dankte laut im Freien,

Daß sie Freiluft spüre.


Sprang mit einem Satze

Tief in die Fontäne

Auf dem Petersplatze.

Quelle:
Max Dauthendey: Der Venusinen-Reim. Leipzig 1911., S. 84-91.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Frau Beate und ihr Sohn

Frau Beate und ihr Sohn

Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.

64 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon