[60] Anna und Heiling rechts. Konrad und Gertrud links.
KONRAD. Nun, Meister, Ihr vergönnt doch, daß ich den Reigen mit Eurer schönen Braut –
HEILING scharf. Nein, Herr, das vergönne ich nicht.
Konrad weicht nach links zurück.
GERTRUD tritt an Konrad vorüber zu Heiling. Ei, Ihr solltet Annchen doch die kleine Freude lassen.
HEILING. Ich habe ihr Versprechen.
ANNA. Nun ja, wenn Ihr's durchaus nicht wollt, so tanze ich nicht; aber Ihr solltet, mir zuliebe, doch nachgeben.
Es wird dunkel.
Die Fenster der Schenke erhellen sich.
Finale.
ANNA.
Wie hüpft mir vor Freuden das Herz in der Brust
Das Tanzen, das Tanzen, das ist meine Lust!
Sie bewegt sich wie im Tanz.
Zu schweben und drehen im wogenden Kranz,
O laßt Euch erbitten, gewähret mir den Tanz!
Sie tritt zu Heiling heran.
HEILING.
Nein! Ich kann sie nicht gewähren,
Die verführend wilde Lust!
GERTRUD UND KONRAD.
Wollt, o wollt die Bitte ihr gewähren,
Gönnet ihr die kleine Lust.
[60] Man sieht durch die erleuchteten Fenster der Schenke die Tanzenden.
ANNA gereizt.
Soll ich ganz, soll ich ganz der Freud' entbehren?
Wollt' Ihr jede Lust mir wehren?
HEILING.
Meine Wünsche sollst du ehren,
Nicht, was mir verhaßt, begehren!
KONRAD für sich.
Kaum kann ich dem Zorne wehren.
GERTRUD für sich.
Könnt' ich doch dem Zwiste wehren!
Sie tritt hinter Heiling weg, Anna zur Rechten.
HEILING.
Nicht, was mir verhaßt, begehren!
KONRAD für sich.
Kaum kann ich dem Zorne wehren!
ANNA heftiger.
Zeigt Ihr Euch schon als Tyrann,
Und seid doch noch nicht mein Mann?
Sei es frei Euch denn gesagt,
Nimmer werd' ich Eure Magd!
HEILING schmerzlich, mit einer Bewegung nach Anna.
Anna! Anna!
GERTRUD zu Anna.
Kind, ich bitte!
KONRAD Heilings Bewegung mißverstehend, tritt zwischen ihn und Anna.
Halt! Verletzet nicht die Sitte!
HEILING zornig und drohend.
Wagt Ihr?
GERTRUD.
Anna, ich bitte!
ANNA durch Gertrud bewogen, tritt an Konrad vorüber, begütigend zu Heiling.
Nicht doch! Nicht doch, lieber Freund,
Es war ja nicht so bös gemeint.
Ihr wißt, ich kann das Befehlen nicht leiden,
Es bringt mich zur Wut,
Ja, es bringt mich zur Wut!
Seid freundlich, seid sanft und bescheiden,
Dann, dann, ja, dann bin ich Euch gut.
HEILING.
So willst du –
ANNA hält ihm die Hand auf den Mund.
Nein, laßt es vergessen sein;
Nicht wahr, nicht wahr, Ihr kommt mit hinein?
Konrad zieht Anna rasch mit sich fort in die Schenke.
Gertrud folgt ihnen.
[61]
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro