[68] Anna rechts vorn auf dem Boden liegend, Konrad zu ihrer Linken.
KONRAD Anna bemerkend.
Wer weilt so spät und einsam noch im Walde?
Ist es ein Mensch, ein Spuk der bösen Geister?
Nur frisch heran, es soll sich bald mir zeigen!
Er tritt näher.
Was seh ich? Anna! Um Sankt Huberts Willen,
Was thut Ihr hier?
Er will sie aufheben.
ANNA entsetzt, Konrad nicht erkennend.
Laßt ab! Laßt ab! Laßt ab von mir!
KONRAD sanft zuredend.
Kennt Ihr mich nicht? Anna, seht mich doch an.
ANNA sieht ihn an, erkennt ihn und reicht ihm weinend die Hand.
Ach, Konrad! Konrad! Euch hat Gott gesandt.
KONRAD hebt sie auf.
O faßt Euch, sagt, was ist Euch hier begegnet?
Unwillig.
Wo ist Euer Bräutigam, daß er Euch nicht beschützt?
ANNA heftig.
O schweigt von ihm, Entsetzen faßt mich an.
KONRAD drängend.
Ihr liebt ihn nicht?
ANNA.
Nie hab ich ihn geliebt.
KONRAD.
Und wollt sein Weib doch werden?
ANNA.
Nimmermehr!
Eh' will ich in den tiefsten Strom mich betten.
[68] Nr. 11. Duett.
KONRAD freudig ausbrechend.
Ha, dieses Wort giebt erneuertes Leben,
Schwellet mir mächtig den Mut.
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben,
Nein, nein, Ihr sollt nicht mehr beben! –
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben!
Schutz will ich gegen die Hölle Euch geben,
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben!
Schutz will ich gegen die Hölle Euch geben,
Euch weih' ich all mein Leben,
Euch weih' ich all mein Blut.
ANNA für sich.
Ja, ihm vertraue ich freudig mein Leben,
Wie stärkt mich sein männlicher Mut.
KONRAD.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
ANNA.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
KONRAD.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
ANNA.
Ja, rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
KONRAD.
Doch rasch nun fort –
ANNA.
Von diesem Ort –
KONRAD.
Auf immerdar!
ANNA.
Ja, fort auf immerdar!
KONRAD.
Laßt, o laßt Euern Weg mich beschützen!
ANNA für sich.
Er will mich mutig beschützen!
KONRAD.
Euch meinen Arm, meinen Arm unterstützen!
ANNA.
Mich soll sein Arm unterstützen!
KONRAD.
Laßt Euern Weg, Euern Weg mich beschützen,
Dann seid Ihr sicher vor jeder Gefahr!
ANNA.
Ja, ich vertrau' Euch in jeder Gefahr,
Ja, ich vertrau' Euch in aller Gefahr!
Konrad ohne sie in diesem Duett zu umarmen, führt sie ab nach rechts.
[69] Verwandlung.
Das Innere von Gertruds Hütte.
Es ist dunkel.
Nr. 12. Melodram und Lied.
Der Vorhang hebt sich im dritten Takt.
Während des ganzen Melodrams hört man außerhalb heftige Windstöße, die genau nach der Partitur gerichtet werden müssen, so daß sie immer in die Pausen während der einzelnen Sätze fallen.
Buchempfehlung
Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro