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[209] Du bist nicht schön von Angesicht,
Die unbedachte Menge spricht,
Doch deiner Anmuth ewger Reiz
Ist nur der Urquell ihres Neids.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Behauptet jeder Kennerwicht.
Ich selbst gestehs. Was mich erfreut,
Ist deine Liebenswürdigkeit!
Du bist nicht schön von Angesicht,
Persianisch deine Wimper nicht,
Nicht griechisch, Theure, dein Profil,
Kein Römerzug dein Mienenspiel!
[209]
Du bist nicht schön von Angesicht?
So tröste dich ein Lobgedicht
Auf deine Liebe allbekannt
Freigebige und schlanke Hand!
Du bist nicht schön von Angesicht –
Doch weiß ein kritisches Gezücht,
Es flieht vor ihm und seinem Gruß
Dein feiner und bescheidner Fuß.
Du bist nicht schön von Angesicht.
Rührt euch die Wangenrose nicht?
Des Mundes süße Kirsche pflückt!
Ihr armen Schlucker wärt entzückt.
Du bist nicht schön von Angesicht –
Leucht auf, o keusches Augenlicht!
Ein Geist in deinem Glanze wohnt
Als wie der Friede in dem Mond.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Dein Lockenhaar ist leicht Gewicht;
Dein volles Herz doch wiegt mir mehr,
Es arm zu machen, das ist schwer.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Am Schwung der Brauen dirs gebricht;
Doch deiner Seele hoher Schwung
Entwaffnet die Verkleinerung.
[210]
Du bist nicht schön von Angesicht,
Ach Gott! von Marmor bist du nicht!
Holdselig aber bist du, Kind,
Wie Engel in dem Himmel sind!
Du bist nicht schön von Angesicht.
Doch Liebe geht nicht ins Gericht,
Doch Liebe ist der schönste – Zug,
Und Liebe ist sich selbst genug.
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Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
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