Nordische Ballad

[20] Hoch an Nörwögs Felsenstrande

Auf dem Raubschloß Rapsjözungar

Saß die Jungfrau Affjäskande

Mit dem Buhlen Swinjöskungar,

Und empfing die süßen Pfande

Seiner Liebe, Kuß und Ringjö.
[20]

Swinjöskungar, Affjäskande,

Affjäskanda, Swinjöskungar!

Hört von hoher Zinnen-Rande

Ritter Borstjö von Spölunggar

Seufzen an dem Felsenstrande,

Bis die Eifersucht ihn würgtjö.


Und er schreitet zu Siöfbrödur,

Zu dem Vater Affjäskande's,

Deutet auf sein Roß Skindlödur,

Auf sein Schwert Abmückjöswandes,

Auf sein Trinkhorn Swärjönödur,

Und versetzt mit breitem Mauljö:


Wenn Ihr nicht, wie Ihr versprochen,

Mir die Tochter gebt zum Weibe,

Wird es fürchterlich gerochen,

Denn das Blut aus ihrem Leibe

Zapf ich Ende dieser Wochen

Mit dem Schwert in dieses Hornjö.


Trink' es aus und werde rasend,

Reite fort und kehre wieder,

Aus des Rosses Nüstern blasend

Wuth und Schaum auf Euch hernieder,

Den ich, weil er so anmaßend

Mich behandelt, fressen willjö.


Und Siöfbröder reicht die Rechte

Borstjö, seines Busens Freunde,

Von Spölungars Hausgeschlechte,

Der es treu und redlich meinte,

Und beim Tag der Mitternächte

Treten sie auf den Balkonjö.
[21]

Teufel! die verliebten Wesen

Fahren jählings auseinander,

Doch sie weiß das Haar zu lösen,

Hurtig wie ein Salmander,

Zu verstecken vor den bösen

Menschen den geliebten Freundjö.


Sieh, die langen goldnen Locken

Fallen bis hinab zum Strande,

Und der Buhle leis in Socken,

Klettert hinter Affjäskande

Dran hinunter, unerschrocken,

Ohnbeschädigt, ohnbemerktjö.


Und beschämt vor seinem Kinde

Steht der Vater mit dem Freunde,

Ihm entfallen alle Gründe,

Daß die Tochter er befeinde;

Doch damit er Ruhe finde,

Leert er flugs ein Horn voll Methjö.


Und der Freund mit Namen Borstjö,

Weiß vor Scham sich nicht zu fassen,

Beißt daher in eine Worstjö,

Seinen Zorn nicht sehn zu lassen,

Und, da's ihm verursacht Durstjö,

Leert er flugs voll Meth ein Hornjö.


Dann verzweifelnd an sich selber,

An der Augen eignem Schauen,

Reißt er sich vom Haupt den Felber

Mit der Hände grimmen Klauen,

Und mit stierem Blick der Kälber

Auch die Augen aus vor Schandjö.
[22]

Wirft die ausgeriss'nen Augen

Der Verräth'rin vor die Beine,

Weil sie aber dort nichts taugen,

Wirft er sie in's Horn voll Weine,

Und beginnt es auszusaugen,

Toll vor Aerger und vor Schamjö.


Schlägt das Horn mit schnöden Streichen

Dann zusammen mit dem Schwerte,

Prüft am Kreuz, dem lederweichen

Seines Gauls, des Schwertes Härte,

Bis das Roß und Schwert deßgleichen

Bricht zusammen sammt ihm selbstjö!


Aber gräulich unbefangen,

Als ob nichts geschehen wäre,

Kam des andern Tags gegangen

Swinjöskungar lobebäre -

Und es schmeißt ihm an den langen

Hals sein Kind des Hauses Herrjö.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 20-23.
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