Der trojanische Krieg

[24] Vor drei Millionen Jahren

Baut' in Kleinasium

Der Fürst der Vorfaharen

Die Veste Ilium.


Grad über sah man wohnen

Der Griechen rohen Stamm,

Der Priamus zum Hohne

Auf Schiffen ihn beschwamm.


Da gab es viele Krämpfe

Vorm Stadtthor und am Meer,

Und drinnen setzt' es Krämpfe

Und solche Sachen sehr.


Die Helden thaten wilder

Als Tigerthier und Leu,

Es spielten die Weibsbilder

Die erste Roll dabei.


Der Juppiter der litt es

Zum Schmerze des Apoll,

Es lachte sich Thersites

Den krummen Buckel voll.


Der haßte jeden König,

Und war genial wie Swift,

Sein Blick war pur Arsenik,

Und was er sprach, war Gift.


Auf einmal sagt Achilles:

Ich spiele nimmer mit,

Denn meine Mutter will es

Die alte Amphitrit.
[25]

Am Meere saß er rocklos

Im Hemd und grämte sich,

Bis daß sein Freund Patroklos

Durch Hector's Spieß erblich.


Da wurmte sich Achilles,

Er rast wie ein Bandit,

Unbändigen Gebrülles,

Da spielt er wieder mit.


Den größten Stadtdirector

Er richtet ihn zu Grund,

Ach, auf den Namen Hector

Hört heut sogar der Hund!


Nun tobte auch der Ajas,

Ein Kerl wie eine Schlacht,

Thersites jener Bajazz

Hat oft ihn nachgemacht.


Der Diomedes konnte

Nicht halten seinen Gaul,

Vor der Trojanerfronte,

Der Nestor nicht das Maul.


Zum Schlusse aber riß es

Den Griechen die Geduld,

Und endlich war Ullysses

An Trojas Sturze schuld.


Da krochen die Spartiatten

Aus des Gethümes Bauch,

Und stürmten frech wie Ratten

Durch Feuerwerk und Rauch.
[26]

Sie sengten und sie raubten

Und metzelten, was kam,

Sie lachten und erlaubten

Sich Vieles ohne Scham.


Sie thäten gar zerbrechen

Die Möbel und's Geschirr

Und um die Beute knöcheln

Mit widrigem Geklirr.


Kassandra, eine Nonne,

Hat es vorausgesagt,

Sie ward in heller Sonne

Vom Ajax 'rumgeplagt.


Die Hekabeth, die Hexe,

Lebendig ward verbrannt,

Und ihres Leibs Gewächse

Geschleppt nach Griechenland.


Nur einer war Aeneas,

Kam ungeschoren fort,

Mit seinem Sohne Andreas,

An einen dritten Ort.


Er ist der Mann, der später

Die Dido dran gekriegt,

Und als ein Uebelthäter

Sich heimlich wegverfügt.


Das Schicksal war zufrieden,

Die Menschen weniger,

Zum Beispiel dem Atriden

Dem ging es elend sehr.
[27]

Das Opfer eines Schwertes

Ward der Aga Memnon,

Und seekrank des Laertes

Sein vielverschlag'ner Sohn.


Daß den Homer geschrieben

Hab' einstmals der Homer,

Das soll euch nicht betrüben

So es erlogen wär.


Im Gegentheil, die Führer

Der deutschen Wissenschaft,

Die großen Kritisirer,

Halten's für fabelhaft.


Sie strafen schmählich Lügen

Ganz Rom und Griechenland,

Und wissens zur Genügen,

Daß es von selbst entstand:


Das Buch der Iliade,

Das Buch der Odyssee,

Und ist's auch Jammerschade,

Sie fanden's im Kaffee.


Quelle:
Ludwig Eichrodt: Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 24-28.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte aus Lyrischer Kehraus: Fliegendes
Gedichte Aus Lyrischer Kehraus: Fliegendes (Paperback)(German) - Common
Gedichte aus Lyrischer Kehraus: Fliegendes

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon