Blut – Strom

[56] Pochend, pochend, fort und fort

Treibt die Lebensgas-Maschine.

Pochend, pochend, fort und fort.

Treibt im Kreis die Herz-Turbine:

Durch das Lungen-Schwammgekräuse,

Durch des Hirnes Labyrinth-Gehäuse,

Durch die Leber-, Nieren-Schleuse,

Durch der Nährungs-Adern Vielkanäle:

Blutes roten Fluß. –

Weiter fließt der Fluß:

Schmilzt mit Lava-Glut die Aderschäle

Wellend, schwellend, fort und fort:

Springt als Ton: als Schrei, als Wort

In die Straßen-Dissonanz-Choräle,

Geht als Meter-Schritt auf Pflastersteinen,

(Tausendteiliger Druck von Allen Beinen)

Wächst als Arbeits-Griff, als Händedrücken

In das armgetürmte Steinhausblock-Gewirr,

Saust als Peitschenhieb auf Lastpferd-Rücken,

Schwillt als sichtbarwachsend Werk aus Werk-Geschirr.

Pochend, pochend, fort und fort

Treibt im Kreis die Kraft-Maschine,

Pochend, pochend, fort und fort

Treibt im Kreis die Herz-Turbine:

Blut durch Leib- und Stadt-Atom. –
[57]

Fließt und fließt der warme Strom:

Fließt als Licht aus Bogenlampen:

Zischt als »Fertig-Pfiff« von Hochbahn-Rampen:

Schwerer Qualm aus Bahnsteighallen:

Kaufgeschwirr aus Warenhallen:

Stundenschall vom Kirchenturm:

Fließt als Wort vom Telefunken-Turm:

Wellend, schwellend, fort und fort. –


Siebzehn blutdurchdrängte Straßen-Stunden

Voller Lärm und Arbeits-Drang,

Siebzehn rotdurchströmte Körper-Stunden,

Siebzehn Kreislauf-Stunden lang:

Pocht und treibt die Herz-Turbine. –


Dann stellt die Alles-Hand

Die Saug- und Speimaschine,

Den Hebelschaft

Auf zehntel Kraft.

Es ruht das Kraftgewelle eine Nacht.

Doch früh beim Sechs-Uhr-Morgen-Pfiff

Verstellt die Hand mit großem Griff:

Das Herz- und Stadt-Getreib auf volle Macht.


Quelle:
Gerrit Engelke: Rhythmus des neuen Europa, Jena 1921, S. 56-58.
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