An Wilhelm Krause

[253] (Gest. zu Malaga 1842)


Zwei Jahre kaum, als heitre Träume scheuchten

Der Sorgen dunklen Schwarm aus deiner Brust;

Du riefst: »Ade!« Ich sah dein Auge leuchten

Und fühlte Tränen doch das meine feuchten,

Ich war der ew'gen Trennung mir bewußt.

Mein armer Wilm, das Rot auf deinen Wangen,

Es war das Rot des frischen Lebens nicht,

Der Tod nur, sichrer dich ins Netz zu fangen,

Ließ Rosen blühn auf deinem Angesicht.


Ich sah ihn längst dich Schritt vor Schritt bewachen,

Gleich einem Schatten dir zur Seite gehn,

Behende sprang er mit dir in den Nachen,

Und immer schien er höhnisch nur zu lachen,

Sooft du riefst: »Auf fröhlich Wiedersehn!«

Auf Wiedersehn! Wann, Freund? Statt Herzensfrieden

Hat ew'ge Ruh die Ferne dir geschenkt,

Und in die Gruft, die deinem Schmerz beschieden,

Hat man dich selber nun hinabgesenkt.


Schön ist das Leben! ach, man lernt es lieben

Recht innig erst, wenn man es meiden soll,

Doch in die weite Welt hinausgetrieben,

Wo fremd wie wir auch unser Herz geblieben,

Da wird der Tod uns doppelt qualenvoll.

Auf welcher Wange sahst du Tränen glänzen?

Wer hat dein brechend Auge zugedrückt?[253]

Mein armer Wilm, mit Immortellenkränzen

Hat flücht'ges Mitleid nur dein Grab geschmückt.


Was half es dir, daß schöner dort die Rosen

Und goldner selbst des Himmels Sterne glühn?

Nun gilt es gleich – ob rauhe Stürme tosen,

Ob linde Weste mit den Blumen kosen,

Mit Blumen, Freund, die deinem Grab entblühn.

Du ruhtest besser wohl am heim'schen Strande,

Im Dünensand, wo du zu ruhn geglaubt:

Ein Kuß der Liebe hätt' im Vaterlande

Dem Tode seinen Stachel noch geraubt.


Doch jetzt, wo du den bittren Kampf bestanden,

Jetzt ruf ich: »Freund, wohl dir! es ist vorbei.«

Schön ist das Leben, doch von tausend Banden,

Ob in der Heimat, ob in fremden Landen,

Macht erst der Tod die Menschenseele frei.

Mir löst die Pflicht, ein strenger Kerkermeister,

Die Fessel nie, gleichviel ob Tag ob Nacht,

Und selbst von deinem Grabeshügel reißt er

Mich unerbittlich, wenn der Tag erwacht.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 253-254.
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