[262] (Preußenlied zum 13. Mai 1861)
Du Adlerland, das seiner Schwingen Ränder
Links in den Rhein, rechts in den Njemen taucht,
Du Zukunftsland, du Hoffnung deutscher Länder,
Das, um zu siegen, nur zu wollen braucht –
Zu Flügen, höhern, vollern,
Raff auf dich, Land der Zollern,
Non soli cedo trägst du auf der Brust,
Drum aufwärts, Preußen, sei dein selbst bewußt.
Aus kleinem Anfang bist du aufgesprossen,
Du letztes Glied an deutschen Reiches Rumpf,
Du (einst der Spott beglückterer Genossen),
Du stiegst empor aus Wald und Sand und Sumpf;
Gott hat dich aufgerichtet,
Sumpf, Wald, sie sind gelichtet,
Ein drang die Sonne, und der Sonnenschein
Schuf Land aus Sumpf, die Sonne mußt' es sein.
Ja, heller Sonnenschein hat dich geboren:
Gewissensfreiheit, Mut, Gesetz und Recht,
O gib die alte Triebkraft nicht verloren,
Vermach sie neu dem kommenden Geschlecht –
Von deinen Edelsteinen
Aufopfre keinen, keinen,
Vor allem doch in Schild und Krone dein
Des Rechtes Demant halte blank und rein.
So vieles fällt (es kommt zu spät die Reue),
Du glücklich Land, so Gott will, stehest fest,
Du stehest fest, weil noch in alter Treue
Dein Fürst, dein Volk, keins von dem andern läßt;
So war's in alten Tagen,
So sei's bei neuem Wagen,
Dann komm', was mag, ob Ost, ob Westen droh',
Der letzte Trumpf bleibt Leipzig, Waterloo.[262]
Nur Eintracht siegt! o wahr dich vor dem Hadern,
Doch freue dich wettstreitender Partei'n,
Sie lockern nicht, sie festigen die Quadern,
Sind Lebens-Klammern um den toten Stein,
Aus Freiheit und aus Treue
Sprießt immer Sieg aufs neue.
»Sei frei, sei treu!« solch Banner in der Hand,
Wirst siegen du, du deutsches Zukunftsland.
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1898)
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