Nachtlied

[18] Der Mond kommt still gegangen

Mit seinem goldnen Schein,

Da schläft in holdem Prangen

Die müde Erde ein.


Im Traum die Wipfel weben,

Die Quellen rauschen sacht;

Singende Engel durchschweben

Die blaue Sternennacht.


Und auf den Lüften schwanken

Aus manchem treuen Sinn

Viel tausend Liebesgedanken

Über die Schläfer hin.


Und drunten im Tale, da funkeln

Die Fenster von Liebchens Haus;

Ich aber blicke im Dunkeln

Still in die Welt hinaus.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 18.
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