Die Geschichtlinge

[151] Was forscht ihr nur und grübelt und klaubt,

Ihr dummen, gelehrten Wichte!

Was uns früher Allergnädigst erlaubt

Im Königsstaub der Geschichte?

Wir wollen die Gnaden auf Eselsfell nicht!

Wir sind auch den Todten nicht Knechte!

Wir wollen, was uns der Himmel zuspricht:

Unsere ewigen, göttlichen Rechte!


Und wäre von Moses Zeiten auch her

Ein Despotenlauf die Geschichte,[152]

Wir wollten doch keine Despoten mehr,

Ihr dummen, gelehrten Wichte!

Wir können uns selber regieren schon,

Denn wir sind Männer, nicht Kinder!

Wir sind gescheidter als der ganze Thron

Mit seinem erblichen Sünder.


Und stände vom freien Gedanken Nichts

In der langen Herrschergeschichte;

Wär's finster gewesen vom Tage des Lichts,

Ihr dummen, gelehrten Wichte:

Wir wollten doch den Gedanken frei!

Wir wollen's, die Herren auf Erden!

Mit den alten Freiheiten ist's vorbei;

Die Freiheit! die muß uns werden.


Wir hängen uns selber nun und nie

Am Weltgericht der Geschichte! –

Denn wir hassen auch ihre Despotie,

Ihr dummen, gelehrten Wichte!

Und wenn die vergilbten Blätter und Roll'n

Unser Fordern historisch verwürfen:[153]

Wir wollen darum doch, was wir woll'n!

Nicht, was wir wollen dürfen!


Drum forscht nicht länger und grübelt und klaubt,

Ihr dummen, gelehrten Wichte!

Was uns früher Allergnädigst erlaubt

Im Königsstaub der Geschichte.

Wir wollen die Gnaden auf Eselsfell nicht!

Wir sind auch den Todten nicht Knechte!

Wir wollen, was uns der Himmel zuspricht:

Unsere ewigen, göttlichen Rechte!

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Verbotene Lieder, Bern 1844, S. 151-154.
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