An Denselben

[61] Wie? Freund, so hat die falsche Scham,

Und nicht des Freundes Rath, gesieget?

O glaube, wenn itzt schwer der Gram

Auf dir mit seiner Rüstung lieget,

So liegt er leichter nicht auf mir,

Der gern zu deiner Rettung dir

Mit offnem Arm' entgegen flieget,

Doch ungern deinen Leichtsinn rüget.

Zwar, hab' ich nicht vielleicht zu viel

Von dir verlangt, der im Gewühl'

Mit Reichen und mit Jugendfreuden,

Noch keinen Dürftigen sah leiden?

O sicher wärst auch du ans Ziel[62]

So gut, mein Freund, als ich gekommen,

Wenn du vom wahren Ehrgefühl'

Erinnrung hättest angenommen.

Allein gesetzt: daß dein Vergehn

Dir deine Freunde übersähn:

Wirst du dich frei zu sprechen wagen?

Du warst gewarnt, nicht schnell zu gehn,

Und fällst so tief! Was kannst du sagen?

Wer sich mit Schielen und mit Greinen

Nach Gold, nicht reicher greint und schielt,

Will wenigstens doch reicher scheinen,

Als in der That er ist. Drum spielt

Graf Hoditz, rasch so lang im Kleinen

Den König, bis er endlich fühlt,

Schwer sey's, zu lachen, wenn zu weinen

Ein harter Gläubiger befiehlt.

Zwar hat die Armuth, wie mir's scheint,

Das üble noch, selbst für den Weisen,

Daß sie verächtlich macht; doch preisen[63]

Laß uns die Vorsicht, lieber Freund!

Denn unterm größten Menschenschwarm'

Ist, seinem Stande nach, auf Erden

Kaum Einer, ohne Schuld, so arm,

Verächtlich seinem Stand' zu werden.

Doch, reich genug für unsern Stand

Nur seyn: Wem wird daran genügen?

Nein! Frisch die Segel aufgespannt,

Die vor uns sind, zu überfliegen!

Und segeln gleich wir auf den Sand.

Zu einer Zeit, wo selbst der Weise,

(Den Lehren, nicht den Thaten nach)

Dem Golde nachschleicht; wo das Ach!

Der Wittwe, das Geschrei der Waise,

Den Damen von Empfindsamkeit

Vapeurs macht; wo ein kahles Kleid,

Und steckt' auch Sokrates darinnen,

Ihm keine Gönner wird gewinnen:

O Freund! zu einer solchen Zeit[64]

Muß dir mein Herz es wohl verzeihen,

Daß du ein Thor gewesen bist,

Und, (wenn es anders eine ist,)

Der Ehre, Freiherrn Geld zu leihen,

Und eines Fräuleins Hand geküßt

Zu haben, mit dem Generale

Piquet zu spielen, eine Schale

Voll Punsch, mit Grafen auf dem Ball'

Zu trinken; daß du solchem Schwall'

Von Eitelkeiten, Land und Wiesen

Verschwendet hast, itzt überall

Herum zu irren wie verwiesen.

Doch, wird dein Oheim dir verzeihn?

Wird nicht sein Ohr bei meinen Bitten

Taub, und sein Mund beredt nur seyn,

Verweis' auf dich herab zu schütten?

Wie nun, Leichtsinniger? Erschrick!

Ein Jud' ist Herr von deiner Ehre,

Ein harter Ohm von deinem Glück',[65]

Und ich, wünsch' in dem Augenblick'

Umsonst mir, daß ich reicher wäre.

Vielleicht hast du wohl kaum das Herz,

Mich, deinen Freund, itzt anzusehen?

Ist dieß nun nicht der größre Schmerz,

Als der, nicht auf den Ball zu gehen?

Denn hätt' es falsche Scham zur Pflicht

Dir nie gemacht, mit vollen Händen

Dein Häuschen Thaler zu verschwenden,

So würde wahre Scham itzt nicht

Dich zwingen, glühend dein Gesicht,

Das Auge weinend wegzuwenden.

Du warst, was dir nicht nöthig war

Zu kaufen, ämsig sonst beflissen;

Drum wirst du das itzt, was sogar

Dir nöthig ist, verkaufen müssen.

Du hast mit Grafen Punsch getrunken,

Itzt, wenn's der Wechsler böse meint,

Kannst du mit deiner Wache, Freund![66]

Dein Brod in Brunnenwasser tunken.

Du hast Baronen Geld geliehn,

Um niemals wieder es zu schauen;

Wer leiht itzt dir, dich aus den Klauen

Der Gläubiger, herauszuziehn?

Allein das schmähligste von allen,

Ist noch zurück: Wie welkes Laub,

Herab vom höchsten Gipfel fallen,

Und von den Füßen in den Staub

Getreten werden, die zu Tänzen

Dir folgten, und in Reverenzen

Dein Ohr entzückt durch ihr Gescharr.

Werth schienst du sonst den feinen Leuten,

Um dich, den Klugen, sich zu streiten,

Itzt bist du ihnen – was? ein Narr!

Nicht, Freund, damit mein Spott dich kränke,

Auch nicht, von deiner Thorheit dich

Zu überzeugen, denn ich denke,

Sie läßt dich's fühlen, ohne mich;[67]

Um dir den Rückfall schwer zu machen,

Färb' ich die Wange dir so roth,

Denn wisse! daß des Abgrunds Rachen,

Der schon dich zu verschlingen droht,

Durch meine Bitten, meine Thränen

Erweicht, (laß ihn es nie gereun!)

Dein Oheim dich entreißt. Allein,

Beim Himmel, Freund! du darfst nicht wähnen,

Daß ich für dich zum zweitenmal

Werd' eine Thräne nur verlieren,

Und deine Schand' und deine Qual

Je deinen Oheim wieder rühren.

Fällst du zurück, so trag' die Schande

Für dich! Aus deinem Vaterlande

Flücht' hin ins Land des Wilhelm Penn,

Und werd' ein Ziel der Rifflemen.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 2, Frankfurt a.M. 1821, S. 61-68.
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