Als er seinen Tod für gewiß hielt

[136] Wie sehnt' ich mich, in deinem Arm' zu schlafen!

Froh sah ich dir, wie Morus, ins Gesicht,

Denn alle deine Pfeile, trafen

Mich, Gramvollender! nicht.

O! möchte mich die Ruhe noch umschweben,

So hätt' ich nun vielleicht die Todesnacht

Verschlummert, wär' ins bessre Leben

Schon wieder aufgewacht.

Nun muß ich noch sie schlummern? muß die Erde

Nun noch einmal im Frühlingsglanze sehn?

Und fühlen, daß ich Armer werde

Bald hin ins Dunkle gehn?[137]

Weit warst du noch von meinem Rosengange,

Beschneytes Ziel, wo krumm das Alter ruht;

Schon aber saugt die Todesschlange

Mir aus das Bischen Blut.

Wo bleiben nun die guten Thaten alle,

Worauf hinaus die Augen weinend sahn?1

Ich hätte sie gethan, und falle,

Und habe nichts gethan.

Wird nun mein Haupt den Kranz von Myrthen tragen,

Den mir im Traum' die Hand der Ehre gab?

O! Niemand wird mit Thränen fragen:

Wo ist des Mannes Grab?

Zehn tausendmal könnt' ich spatzieren gehen

In deinem Garten, Weisheit! könnte da

Mehr volle Blumenbeete sehen,

Als Bayle vor mir sah.[138]

Ich könnte noch – und bin nun schon am Ende! –

Natur, in deiner Bildergallerie

Nach Wundern suchen, ach! und fände

Das letzte Wunder nie.

Bald werd' ich nun von Philomelens Tönen

Nicht mehr geweckt; um meinen Gartensaal

Verblühen schon die Tausendschönen

Für mich zum letzten mal.

Bald ruft dein Mund in Trillern an dem Flügel,

Amalia! den Kenner zum Gehör',

Nur ich lieg' unter meinem Hügel

Und höre dich nicht mehr.

Und alles das um eines Mädchens willen?

O welchen Plan vernichtet sie mit mir!

Was konnte meine Flüche stillen?

Warum vergab ich ihr?[139]

Kann sie mich itzt aus meinem Kerker retten?

Erst mache sie geschehnes, ungeschehn,

Sonst muß sie mich in ihren Ketten

Zum Tode schleppen sehn.

Muß ich denn fort? Jenseit des Grabes lieget

Noch eine Welt, allein wer wünscht sie sich?

Fest, wie an eine Braut geschmieget,

Schmieg' ich an diese mich.

Doch ach! umsonst läßt mich der Tod noch weinen;

Du aber, die du mich itzt nicht mehr kennst,

Frohlocke nicht; bald werd' ich dir erscheinen

Als schreckendes Gespenst!

Fußnoten

1 Das weinend ist für die wenigen stehen geblieben, denen es ganz verständlich seyn wird.


Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 136-140.
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