1/3.
Liebe Schwester.
Damit du nicht glaubest ich habe dich unter den schwärmenden Freuden eines starck besuchten Bades gantz vergessen; so will ich dir, einige absonderliche Schicksaale die mir begegnet, in diesem Briefgen, zu wissen thun. Dencke nur wir haben allhier Schlangen, das hässliche Ungeziefer macht den Garten, hinter unserm Hause, gantz unsicher. Seit meinem Hierseyn, sind schon 4. erlegt worden. Und heute, lass es dir erzählen, heute morgen, stehen einige Churgäste und ich auf einer Terasse, siehe da kommt ein solches Thier mit vielen gewölbten Gängen durch das Graß daher,[6] schaut uns mit hellen funckelnden Augen an spielt mit seiner spitzigen Zunge und schleicht mit aufgegehabenem Haupte immer näher. Wir erwischten hierauf die ersten besten Steine warfen auf sie loß und traffen sie etliche mahl, daß sie mit Zischen die Flucht nahm. Ich sprang herunter, riß einen mächtigen Stein von der Mauer und warf ihr ihn nach. er traf und erdruckte sie, worauf wir über dieselbe Meister wurden sie aufhängeten und zwey Ellen lang befanden. Neulich verwirrten wir uns in dem Walde, und mußten 2 Stundenlang in selbigem, durch Hecken und Büsche durchkriechen. Bald stellte sich uns ein umschatteter Fels dar, bald ein düstres Gesträuch und nirgends war ein Ausgang zu finden. Gewiß wir wären biß in die Nacht gelaufen; wenn nicht eine wohlthätige Fee hier und da, an die Baüme Papagey Schwäntze, |: die aber unsere kurtzsichtige Augen für Strohwische ansahen :| den rechten Weeg uns zu zeigen gebunden hätte. Da wir denn glücklich aus dem Walde kamen. Dein Briefgen vom 19 Juni war mir sehr angenehm. Inliegenden Brief laß Augenblicklich dem Pap zustellen. Lebe wohl. Küsse If. M. von meinetwegen die Hand.
Wisb. d. 21. Jun. 1765.
G.[7]
1/4.
d. 12 Octbr 1765.
Liebes Schwestergen
Es wäre unbillig wenn ich nicht auch an dich dencken wollte. id est es wäre die größte Ungerechtigkeit die jemahls ein Student, seit der Zeit da Adams Kinder auf Universität gehen, begangen hätte; wenn ich an dich zu schreiben unterließe.
Was würde der König von Holland sagen, wenn er mich in dieser Positur sehen sollte? Rief Hr. von Bramarbas aus. Und ich hätte fast Luft auszurufen: Was würdest du sagen Schwestergen; wenn du mich in meiner jetzigen Stube sehen solltest? Du würdest astonishd ausrufen: So ordentlich! so ordentlich Bruder! – da! – thue die Augen auf, und sieh! – Hier steht mein Bett! da meine Bücher! dort ein Tisch aufgeputzt wie deine Toilette nimmermehr seyn kann. Und dann – Aber – ja das ist was anders. Eben besinne ich mich. Ihr andern kleinen Mädgen könnt nicht so weit sehen, wie wir Poeten. Du must mir also glauben daß bey mir alles recht ordentl. aussiehet, und zwar auf Dichter Parole. Genug! Hier schick ich dir eine Messe. – Ich bedancke mich schön. – Gehorsamer Diener, sie sprechen davon nicht. – Küsse Schmitelgen und Runckelgen von meinetwegen. die lieben Kinder! denen 3 Madles von Stocküm mache[8] das schönste Compliment von mir. Ifr. Ricklef magst du gleichfalls grüßen. Sollte Mademoisel Brevillier dich wieder kennen? So weit von Mädgen. Aber noch eins. Hier habe ich die Ehre keines zu kennen dem Himmel sey Danck! Cane pejus et angue turpius.
Mit jungen schönen W – doch was geht dich das an! Fort! fort fort! Gnug von Mädgen.
Denck eine Geschichte vom Hencker! – Ha! Ha! Ha! – lache! – Hr. Claus hat mir einen Brief an einen hiesigen Kaufmann mitgegeben! – Ich ging hin es zu bestellen. Ich fand den Mann und sein ganzes Haus ganz sittsam! – schwarz und weiß. die Weibsleute mit Stirnläppgen! so seitwärts schielerlich. Ach Schwestergen ich hätte bersten mögen. Einige Worte in sanfter und demühtiger Stille gesprochen, fertichten mich ab. Ich ging zum Tempel hinaus. Leb wohl
Goethe.
d. 13. October.
Ha! Ha! Ha! – Schwestergen du bist erz närrisch. ich habe gelacht. Reinecke der Fuchs Ha! Ha! Ich habe über das ganze Heldengedicht nicht so gelacht wie über deinen Rost der Fuchs und der Stallmeister sein Bruder. Warrlich ich schreibe kein Trauerspiel. Wenn Voltaire gewust hätte daß er so sollte aufgeführet werden, wer weiß! – la! la! la! wenn Rostens Haar Feuer gefangen hätte! Ha! da wäre es gegangen wie[9] dort da mann einst in der Provinz Zairen fürstellte. Es fiel ein Licht herab und Oroßmanns Turban fing an zubrennen. Die Comödiantin welcher das seidene Sacktuch gehörte wovon die Kopfbinde verfertiget war sprang herfür rupfte dem Sultan die Haube vom Kopfe und löschte! – Aber – Ha! Ha! ich kan für lachen nicht mehr Ha! Ha! –
Nach Schrift an den Vater.
Hrn. Raht Lange habe ich nur ein einzigmahl gesehen. Er scheint ein störriger wunderlicher Mann zu seyn aber nicht grob. Sie ist die höflichste artigste Frau der Welt. Dr Francken hab ich gesprochen seine Mienen Sein Gesicht seine Handlungen seine Seele stimmen alle darin überein daß sie insgesammt aufrichtig sind. Der beste Mann von der Welt. Multarum rerum hic notitiam aquisivi. Multas narravit, quas ex ore tam sincero audire noluissem. Multas de quarum veritate libentissime si possem dubitare vellem – Die Universität! – Der Hof! – Nescire expedit. Den Brief à Küstner empfing und bestellte. Ich ward höflich empfangen Wenn sie Schöff Olenschl. sehen dancken sie ihm ja, daß er mich zu Pr Böhmen wieß. Par ipsi rependere nequeo. Mich dünckt daß ich in meinem Brief den Orckan bemerkt habe, er war unerhört. Hier deckte er die Buden ab. Fr Profeßor Böhme sorgt mit für meine Haußhaltung. Schleifer[10] daß ist erschröckl. Ich muß mit dem guten Papier spaarsam seyn. ich habe wenig drum nehm ich schlechtes.
Ich werde an den alten Recktor schreiben. Es wird mir nicht schweer fallen. Ich thue jetzt nichts als mich des Lateins befleisen! – Noch eins! sie können nicht glauben was es eine schöne sache um einen Professor ist. Ich binn ganz enzückt geweßen da ich einige von diesen leuten in ihrer Herrlichkeit sah. nil istis splendidius, gravius, ac honoratius. Oculorum animique aciem ita mihi perstrinxit, autoritas, gloriaque eorum, ut nullos praeter honores Professurae alios sitiam. Vale. Vale.
Schwestergen.
Sage Ifr Tanten dass ich ehestens an sie schreiben werde. An die liebe Ifr Meixnern, mache das schönste Compliment das du in deinem Köpfgen gedencken kanst. »Mein Bruder läßt sie grüßen« das ist nichts. Ube deine Erfindungskraft du hast ja sonst gute Einfälle. Schreibe mir bald Engelgen. Aber nichts mehr von Füchschen und stallmeistern sonst verplatz ich. Und was wäre das Schade wenn der am lachen stürbe der sich noch jezo ganz ernsthaft nennen kann
Deinen Lieben Bruder
Goethe[11]
1/5.
Ma soeur, ma chere soeur.
Me voici pour repondre a ta lettre du 15me Octbr. Sois persvade mon Ange, que je suis ici, si bien, pour ne souhaiter rien de mieux. Jamais je n'ai mangè tant de bonnes choses que dans le temps, que je suis dans ces lieux. Des faisans, perdrix, becasses, alouettes poissons en allemand |: Forellen :| en quantite voila le manger de la table du Prof. Ludewig. Quelquefois on trouve des raisins. Le 60 des Alouettes coute 2 rx. Je ne goute pas la biere de Mersebourg. Amere comme la mort au pots. Ici je n'ai pas encor senti du vin. Je plains les pauvres pieces de theatre. Moors! Bons soir compere avec ton habit de Velours, et tes merites! Oh le galant homme. Adieu ma chere. Mes compliments Mon ange, a toutes mes amies. Adieu. ce 18 Ocbr.
G.
P. S. Reich est parent du libraire recommende par Vorstadt. En ecrivant de la cherete du lieu a Horn ou a d'autres, sans retrancher la verite |: laquelle toutefois je ne dirai que priè :| je scaurai d'orer la pilule. Pour le d bon soit! Je l'ai derive de Francorum Vado. En tens tu cela. Mon hotesse, te fait faire ses compliments de meme qu'a mon pere et ma chere mere.[12]
1/6.
Leipzig 20. Oktober 1765.
Morgens um 6.
Riese, guten Tag!
den 21. Abends um 5.
Riese, guten Abend!
Gestern hatte ich mich kaum hingesetzt um euch eine Stunde zu widmen, Als schnell ein Brief von Horn kam und mich von meinem angefangenen Blate hinweg riß. Heute werde ich auch nicht länger bey euch bleiben. Ich geh in die Commoedie. Wir haben sie recht schön hier. Aber dennoch! Ich binn unschlüßig! Soll ich bey euch bleiben? Soll ich in die Commödie gehn? – Ich weiß nicht! Geschwind! Ich will würfeln. Ja ich habe keine Würfel – Ich gehe! Lebt wohl! –
Doch halte! nein! ich will da bleiben. Morgen kann ich wieder nicht da muß ich ins Colleg, und Besuchen und Abends zu Gaste. Da will ich also jetzt schreiben. Meldet mir was ihr für ein Leben lebt? Ob ihr manchmal an mich denkt. Was ihr für Professor habt. & cetera und zwar ein langes & cetera. Ich lebe hier, wie – wie – ich weiß selbst nicht recht wie. Doch so ohngefähr
So wie ein Vogel der auf einem Ast
Im schönsten Wald, sich, Freiheit athmend wiegt.
Der ungestört die sanfte Lust genießt.
[13] Mit seinen Fittichen von Baum zu Baum
von Bußch zu Bußch sich singend hinzuschwingen.
Genug stellt euch ein Vögelein, auf einem grünen Aestelein in allen seinen Freuden für, so leb ich. Heut hab ich angefangen Collegia zu hören.
Was für? – Ist es der Mühe wehrt zu fragen? Institutiones imperiales. Historiam iuris. Pandectas und ein privatissimum über die 7 ersten und 7 letzten Titel des Codicis. Denn mehr braucht man nicht, das übrige vergißt sich doch. Nein gehorsamer Diener! das ließen wir schön unterwege. – Im Ernste ich habe heute zwei Collegen gehört, die Staatengeschichte bey Professor Böhmen, und bei Ernesti über Cicerons Gespräche vom Redner. Nicht wahr das ging eh an. Die andere Woche geht Collegium philosophicum et mathematicum an. –
Gottscheden hab ich noch nicht gesehen. Er hat wieder geheurathet. Eine Ifr. Obristleutnantin. Ihr wißt es doch. Sie ist 19 und er 65 Jahr. Sie ist 4 Schue groß und er 7. Sie ist mager wie ein Häring und er dick wie ein Federsack. – Ich mache hier große Figur! – Aber noch zur Zeit bin ich kein Stutzer. Ich werd es auch nicht. – Ich brauche Kunst um fleißig zu sein. In Gesellschaften, Concert, Comoedie, bei Gastereyen, Abendessen, Spazierfahrten so viel es um diese Zeit angehet. Ha! das geht köstlich. Aber auch köstlich, kostspielig. Zum Henker das fühlt mein Beutel. Halt! rettet! haltet auf! Siehst du sie nicht[14] mehr fliegen? Da marschierten 2 Louisdor. Helft! da ging eine. Himmel! schon wieder ein paar. Groschen die find hier, wie Kreuzer bei euch draußen im Reiche. – Aber dennoch kann hier einer sehr wohlfeil leben. Die Messe ist herum. Und ich werde recht menageus leben. Da hoffe ich des Jahrs mit 300 was sage ich mit 300 mit 200 Rthr. auszukommen. NB. das nicht mitgerechnet, was schon zum Henker ist. Ich habe kostbaaren Tißch. Merkt einmahl unter Küchenzettel. Hüner, Gänße, Truthahnen, Endten, Rebhühner, Schnepfen, Feldhüner, Forellen, Haßen, Wildpret, Hechte, Fasanen, Austern pp. Das erscheinet Täglich. nichts von anderm groben Fleisch ut sunt Rind, Kälber, Hamel pp. das weiß ich nicht mehr wie es schmeckt. Und die Herrlichkeiten nicht teuer, gar nicht teuer. – Ich sehe daß mein Blat bald voll ist und es stehen noch keine Verse darauf, ich habe deren machen wollen. Auf ein andermahl. Sagt Kehren daß ich ihm schreiben werde. Ich höre von Horn, daß ihr euch ob absentiam puellarum forma elegantium beklagt. Laßt euch von ihm das Urteil sagen daß ich über euch fällete.
Goethe.[15]
1/7.
Leipzig, d. 30ten Octbr. 1765.
Lieber Riese.
Euer Brief vom 27ten der mich äuserst vergnügt hat, ist mir eben zugestellet worden. Die Versicherung daß ihr mich liebt, und daß euch meine Entfernung leid ist, würde mir mehr Zufriedenheit erweckt haben; wenn sie nicht in einem so fremden Tone geschrieben wäre. Sie! Sie! das lautet meinen Ohren so unerträglich, zumahl von meinen liebsten Freunden, daß ich es nicht sagen kann. Horn hat es auch so gemacht, ich habe mit ihm gekeift. Fast hatte ich Lust, mit euch auch zu keifen. Doch! Transeat! Wenn ihr es nur nicht wieder tuht. –
Ich lebe hier recht zufrieden. Ihr könnt es aus beiliegendem Briefe sehen, der schon lange geschrieben ist; ihr würdet ihn schon längst haben; wenn Horn nicht vergessen hätte mir eure Adresse zu senden. Die Beschreibung von Marpurg ist recht komisch.
Das beste Trauerspiel Mädgen sah ich nicht mehr. Wenn ihr nicht noch vor eurer Abreise erfahret was sie von Belsazar denkt; so bleibt mein Schicksal unentschieden. Es fehlt sehr wenig; so ist der Fünfte Aufzug fertig. In 5füßigen Jamben.
Die Versart, die dem Mädgen wohl gefiel
der ich allein, Freund zu gefallen wünschte.
[16] Sie Versart, die der große Schlegel selbst
und meist die Kritiker für's Trauerspiel
die schicklichste und die beqemste halten.
Die Versart, die den meisten nicht gefällt,
Den Meisten deren Ohr sechsfüßige
Alexandriner noch gewohnt. Freund, die,
die ist's die ich erwählt mein Trauerspiel
zu enden. Doch was schreib ich viel davon
Die Ohren gällten dir gar manchesmahl,
von meinen Versen wieder drum mein Freund,
Erzähl ich dir was angenehmres.
Ich schaute Gellerten, Gottscheden auch
und eile jetzt sie treu dir zu beschreiben.
Gottsched ein Mann so groß alß wär er vom alten Geschlechte
Jenes der zu Gath im Land der Philister gebohren,
Zu der Kinder Israels Schrecken zum Eichgrund hinabkam.
Ja so sieht er aus und seines Cörperbaus Größe
Ist, er sprach es selbst, sechs ganze Parisische Schue.
Wollt ich recht ihn beschreiben; so müßt ich mit einem Exempel
Seine Gestalt dir vergleichen, doch dieses wäre vergebens.
Wandeltest du geliebter auch gleich durch Länder und Länder
Von dem Anfang herauf biß zu den Untergang nieder,
Würdest du dennoch nicht einen der Gottscheden ähnlichte finden.
Lange hab ich gedacht und endlich Mittel gefunden
Dir ihn zu beschreiben doch lache nicht meiner, Geliebter.
Humano capiti, cervicem jungens equinam
Derisus a Flacco non sine jure fuit.
Hinc ego Kölbeliis imponens pedibus magnis,
Immane corpus crafsasque scapulas Augsti.1
Et magna, magni, brachiaque manusque Rolandi,[17]
Addensque tumidum morosi Rostii2 caput.
Ridebor forsan? Ne rideatis amici.
Dieß ist das wahre Bild von diesem großen Mann,
So gut als ich es nur durchs Beyspiel geben kann.
Nun nimm geliebter Freund die jetzt beschriebnen Stücke
So zeiget glaub es mir sich Gottsched deinem Blicke.
Ich sah den großen Mann auf dem Catehder stehn,
Ich hörte was er sprach und muß es dir gestehn.
Es ist sein Fürtag gut, und seine Reden fließen
So wie ein klarer Bach. Doch steht er gleich den Riesen,
Auf dem erhabnen Stuhl. Und kennte man ihn nicht
So wüßte man es gleich weil er steets prahlend spricht.
Genug er sagte viel von seinem Kabinette
Wie vieles Geld ihn das und jen's gekostet hätte.
Und andre Dinge mehr, genug mein Freund. Ich muß schließen. Du weißt doch er hat eine Frau. Er hat wieder geheurathet, der alte Bock! Ganz Leipzig verachtet ihn. Niemand geht mit ihm um.
Apropos. Hast du nicht gehört? Der Hofraht beklagt sich über den Mangel der Mädgen zu Göttingen.
Zu was will er ein Mädchen?
Um die retohrischen Figuren auszuüben
Und nach der neuesten Art recht hübnerisch zu lieben
Zu sehn ob die Protase ein hartes Herz erweicht.
Zu sehn ob man durch Reglen der Liebe Zweck erreicht
Zu sehn ob Mimesis, die Ploce, die Sarkasmen
So voller Reitzung sind wie Neukirchs Pleonasmen
Und ob er in dem Tohne, wie er den Ulfo singt,
Mit des Corvinus Versen, das Herz der Schönen zwingt.[18]
Und ob – Mein Blat ist voll ich werde schließen müssen.
Die Mädgen eurer Stadt und Kehren sollt ihr grüßen.
d. 6. Nov. 1765.
Goethe.
1 Du kennst ihn doch? den dicken Schornsteinfeger.
2 Du wirst dich noch des Fuchsens Vater erinnern.
1/8.
Leipzig d. 6 Dec. 1765.
la veille du jour de ta naissance
Mädgen,
Ich habe eben jetzo Luft mich mit dir zu unterreden; und eben diese Lust bewegt mich an dich zu schreiben. Sey stoltz darauf Schwester, daß ich dir ein Stück der Zeit schencke die ich so nohtwendig brauche. Neige dich für diese Ehre die ich dir anthue, tief, noch tiefer, ich sehe gern wenn du artig bist, noch ein wenig! Genug! Gehorsamer Diener. Lachst du etwann Närrgen, daß ich in einem so hohen Tone spreche. Lache nur. Wir Gelehrten, achten – was! Meinst du etwa 10 rh. nicht. Nein wir gelehrten achten euch andern Mädgen so – so wie Monaden. Warrlich seitdem ich gelernt habe daß mann ein Sonnenstäubgen so in einige 1000 teilgen teilen könne, seitdem sage ich, schäm ich mich daß ich jemahls einem Mädgen zugefallen gegangen binn, die vieleicht nicht gewußt hat, daß es thiergen giebt, die auf einer Nadelspitze einen Menuet tanzen können. Transeat. Doch daß du siehst wie brüderlich ich handle; so will ich dir auf deine närrischen Briefe antworten. Eure kleine Gesellschaft[19] mag ganz gut sein; grüß mir die lieben Mädgen – O zum Henker! Da wiedersprech ich mir ja selbst. Du siehst schwester daß es mir mit den Monaden kein Ernst ist. Grüße Hrn. Bißmannen und Hrn. Tymen. Sage Ifr. Tanten daß ich auf einen Brief von ihr hoffe. Du bist eine Närrin mit deinem Grandison. Ich kann nicht finden was Marty H. gesagt hat. Aber mercke dirs, du sollst keine Romanen mehr lesen, als die ich erlaube. Ich habe der Sache nachgedacht und halte es für meine Schuldigkeit dir zu sagen was ich davon dencke. Ich will euch ehestens eine kleine Abhandlung schicken die ich davon schreiben werde. Aber laß dirs nicht Angst seyn Grandison Clarissa und Pamela sollen vielleicht ausgenommen werden. An guter Unterhaltung im Lesen soll dirs aber nicht fehlen ich will deßwegen an den Papa schreiben. – Was! mit deinem schönschreiben! Danck dem Himmel daß du einen Buchstaben von mir zu sehen bekommst. Du hast nichts zu thun, da kannst du dich hinsetzen und zircklen, ich aber muß alles in Eile thun. Du willst daß ich meine Tisch Gesellschafft beschreiben soll. Ich will anfangen, aber ganz nun wohl nicht. Dr. Ludwig unser Wirth. Ein Mann dem 50 Jahre, vieles ausgestandene Elend, und die große Menge seiner Geschäfte, nichts von der Munterkeit die er im 20 Jahre gehabt wegnehmen können. Er ist ohne Facon, schwätzt schröcklich viel von Mädgen, und ist ein auserordentlich Leutseeliger und wohltätiger Mann. Seine Liebe[20] zur Geselschaft hat ihn bewogen ein ziemlich großes Hauß zu mieten, wo er eine Menge Magisters und andere Leutgen beherbergt. Eben dieß ist auch die Ursache seines Tisches den er hält. Magister Morus. Ein Teolog. Ein sehr artiger und geschickter Junger Mann: er redet wenig allein sieht immer freundlich aus. Magister Herrmann Ein Mediciner sein Nachbaar ist gleichfalls keiner der beredesten aber macht immer ein verdrißliches Gesicht. Aber sonst ist es ein sehr schöner Mann, ich will dir ihn freyen. Hier hast du sein Portrait, es schmeichelt gewiß nicht. Ohngefähr 4 1/2 Fuß hoch. Vom Gesichte zu reden. Es besteht wie das Gesicht anderer Menschen aus Augen, Nase pp aber die Zusammensetzung davon, ach die entzückt. Finstere schwarze Augen, die von den herabhangenden Augenbrauen beschattet werden, keine sonderlich schöne Nase, die durch das eingedrückte der Wangen sehr erhöht wird, ein aufgeworfener Mund, der so wie das Kinn mit einem schwarzen stachelichen Barte besetzt ist, sonst ist eine ziemlich starcke Röhte über sein ganzes Antliz verbreitet. Seine Reisen haben ihn nicht klüger gemacht. Er flieht die Welt, weil sie sich nicht nach ihm richten will. Die andern auf ein andermahl.
Schwester schicke zu Schweitzern, er hat den Graf P. noch. Erkundige dich ob die Heuraht des Hrn. Löper gewiß ist. Nachb. Max. hat an mich geschrieben. Großen Dank für deine Ermahnungen.
[21] Schreibe nur oft denn du hast Zeit, alles was merckwürdiges in der Stadt vorgehet.
Antwort auf den Brief vom 21 Nov.
Was willst du von mir lernen? Wilst du etwan wissen daß die fallenden Cörper in ungleichen Zahlen geschwinder werden. Oder daß die Quadratwurzel von 16, 4 ist. Was machtest du mit denen Sachen? Nein ich will dich was bessers lehren. So wollen wir es machen Schwester. Schreib deine Briefe auf ein gebrochenes Blat und ich will dir die Antwort und die Critick darneben schreiben. Aber lasse dir vom Vater nicht helfen. Das ist nichts. Ich will sehen wie du schreibst. Jetzo werde ich den Anfang machen. Mercke diß: schreibe nur wie du reden würdest, und so wirst du einen guten Brief schreiben.
Critick über deinen Brief.
Du wirst doch eine Abschrift davon haben.
denn ich sehe. dieses hängt nicht mit dem nachfolgenden so zusammen. Abzwecken ist kein Briefwort. Sagst du es im gemeinen Leben? Weil du an viel hohe Dinge denckst wäre natürlich. weitläufiger werdenden das Participium ist nicht gut angebracht. Setze lieber, die bald weitläufiger werden wird. Zu Ohren bringen wenn der Ausdruck auch gebraüchlich wäre; so wär der Gedancke doch nicht richtig. Indem ist nicht gut. Verlauten will[22] ist Curial. Als ist nicht besser. Durchleben ist poetisch. Und giebt man sich Mühe es wäre besser: Man giebt sich Mühe. subsistiren ist nicht deutsch. Herbst setze lieber Weinlese. Exequien deutschgeschrieben! Castrum doloris besser Trauer Gerüste. beschauen ist nicht gewöhnlich. Dass dir bald p. warum lässest du die Verba auxiliaria aus, hätte. mit der Zeit hinwissen, besser, weil ihnen die Zeit lange wird. Alschon ist curial. Veranstaltung ist nicht o gut. gesonnen ist, besser: will. zu Ende gebracht, besser: geendigt. angewandelt, setze: angekommen.
d. 7 Dec.
Jetzt will ich antworten
Schreibe mir von der Reineckischen Sache doch umständlicher.
Wenn man sie in ein Kloster steckte
Und ihr Gesicht mit einem Schleier deckte.
Diß könnte wohl zu ihrem Vorteil seyn
Den Reitz, der ihr jetzt fehlt, kann neue Tracht ihr geben,
Da kann sie immer einsam leben,
Sie ist ja gern allein.
Was ich von Frau Fremont dencke. Ihr Mann taugte nicht viel, sie auch nicht
Das Ende krönt jetzt die vergangne Zeiten,
Wer einmahl glitt, wird leichte zweimal gleiten.
Kind die Exequien die waren würklich schön,
Wer wird nicht den Verstand der klugen Domherrn sehn.
Er der aus Sparsamkeit oft was er war vergaß.
Der Wasser tranck und harte Eyer aß.
[23] Der dessen Lehre
War; daß der Fürsten Ehre,
Allein im vollen Beutel wäre.
Er der gespaaret statt gekriegt,
Er den kein leerer Pracht vergnügt,
Der würde sich im Grabe wenden,
Wolt' man nach feinem Todt so ohne Noht verschwenden.
Das Teater! Gut, vielleicht wird nichts gescheuters daraus als aus der neulichen Zayre. Doch schreibe mir nur oft. Auf deine närrische Fragen zu antworten. Böß bin ich etlichemahl geworden. Aber noch kein j'enrage. Das Waldhorn lautet, nun, wie es lautet. keine Hippine giebt hier.
Ich schreibe jetzt von meinem Belsazer.
Faßt ist der letzte Aufzug auch so weit
Als wie die andern sind. Doch wiß du das:
In Versen, wie hier die, verfertigt ich,
Die fünfte Handlung. Dieses Schwester ist
Das Versmas das der Britte braucht, wenn er
Auf dem Coturn im Trauerspiele geht.
Jetzt steh ich still, und denck den Fehlern nach,
Den Fehlern die so häufig sind, wie hier
Studenten sind. Da denck ich nach, und die
Verbessr' ich. Dir schick ich vielleicht einmal
Etwas davon, Wie auch von dem was ich
Sonst noch in Versen schrieb. Jetzt Lebe wohl.
Grüß mir die Mutter, sprich, sie soll verzeihn,
Daß ich sie niemals grüsen ließ, sag ihr
Das was sie weiß, – daß ich sie ehre. Sags,
[24] Daß nie mein kindlich Hertz von Liebe voll
Die Schuldigkeit vergißt. Und ehe soll,
Die Liebe nicht erkalten eh ich selbst
Erkalte.
Versuch einer poetischen Ausarbeitung Belsazars.
Pherat. Erst. Auf. 1. Auftr.
Wie? da das Glück sich selbst auf unsre Seite wendet
Und den zu sichern Feind, in unsre Netze sendet,
Wie Herr, da zweifelst du, daß uns der Streich gelingt,
Der Belsazern, den Tod, und dir, die Krone bringt?
Nein, heute muß es seyn, es sterb der König heute,
Es sey ein Tag voll Tod, der große Tage der Freude,
Heut ist des Sesachs Fest, ich weih ihm meine Wuht,
Statt Wein der sonst ihm floß, fließ heut ihm rauchend Blut,
Den König, und den Hof mag erst der Wein erfüllen,
Dann wollen wir den Durst in seinem Blute stillen.
Wann erst die Mitternacht um den Tyrannen liegt,
Und seinen müden Geist in süsse Träume wiegt;
Ja dann, soll unser Schwerdt im Finstern gehn und schlagen
Und durch die Finsterniß den Tod zum König tragen.
Dann soll das Tohr der Stadt dem Zyrus offen stehn,
Und du durch unsre Faust zu Babels Trohne gehn.
Dann wird der Unterthan der den Tyrannen scheuet,
Durch dich den er verehrt, von harten Joch befreyet.
Sey kühn und fürchte nichts, sein Untergang ist nah,
Dich zu verteidigen, sind tausend Fäuste da pp
Es ist heute dein Geburtstag, ich sollte dir poetisch glückwünschen. Aber ich habe keine Zeit mehr, auch keinen Platz mehr. Werde klüger so wie du älter wirst. Leb wohl.[25]
Antwort auf den Brief
vom 6 Xbr.
Du sagsts! – – – – – –
Erzähle mir doch ausführlicher von dem jüngfraülichen Concerte. Auch von dem Teater, dem Trauerspiele, das sie gespielet haben pp. Ich gehe manchmahl in die Comödie. Ich wünschte daß ich dich mitnehmen könte. Dein Leibstück den Kaufmann von London habe ich spielen sehen. Beym größten Teil des Stücks gegähnt, aber beym Ende geweint. Ferner Miß Saara, Zayre, Cenie, Die Poeten nach der Mode, die Verschwörung wieder Venedig pp. Sie haben hier einen Acteur, der Brückner heißt, sogut wie Bersac und eine Actrice Starcken, so gut wie Madam de Rosne. Neulich sah ich Tartüffen. Top! da fiel mir ein Kerl ein der eben so aussieht. Rähtst du ihn, er macht so kleine Augen! Ha! Ha! Ha! Ein Schurcke wie der andre. Ich will jetzo von was anders reden, nehmlich von dem was ich dir am nohtwendigsten glaube, das ist von deiner jetzigen Unterhaltung im Lesen. Du bist über die Kinderjahre, du mußt also nicht nur zum Vergnügen, sondern zur Besserung deines Verstandes und deines Willens lesen. Bitte dir vom Papa Zeit dazu aus, er wird dir sie geben. Zuerst sollst du den Zuschauer lesen laß dir ihn[26] durch Hrn Ohme Textor von der Stadt Bibliotheck schaffen. Dieses Buch ließ mit Aufmercksamkeit. Du wirst viel gutes darinn finden. Allein ich muß dich auch lesen lernen. Nicht wahr, das kommt dir wunderlich für, daß ich so rede. Ich kenne dich ich weiß wie und warum du liesest. Siehe so mußt du es machen. Nimm ein Stück nach dem andern, in der Reihe, ließ es aufmercksam durch, und wenn es dir auch nicht gefällt, ließ es doch. Du must dir Gewalt antuhn |: Ich sag es noch einmahl: wenn du haben willst daß ich für dich sorgen soll; so mußt du mir folgen, und nicht nur Vergnügen beym Lesen suchen. :| Wenn du es gelesen hast; so mach das Buch zu und stelle Betrachtungen darüber an. Im Anfange wird es dir schweer fallen, aber bald wird es leichter gehen wie mit dem Schreiben. Fange damit an aber balde. Schreibe wie er dir gefällt, deine Gedancken über einzelne Stücke. Manchmahl werde ich Stücke aussuchen, und dein Urteil darüber erforschen. Dieses ist besser und dir nützlicher als wenn du 20 Romanen gelesen hättest. Diese verbiete ich dir hiermit völlig, den einzigen Grandison ausgenommen den du noch etlichemahl lesen kannst, aber nicht obenhin, sondern bedächtig. Sonnst kannst du auch die beyden Magazinen der Fr. v. Beaumont lesen sie find sehr gut |: das dritte: Magasin pour les jeunes Dames :| lese nicht. Die Briefe der Fr. von Montier von eben der Fr. von Beaumont sind auch lesenswert. Die Lettres[27] de Md. Montague gleichfalls. Im Italienischen den Pastor fido doch der ist manchmahl schweer, laß dir ihn vom Vater erklären. Ferner Epistole di Cicerone. Der Papa hat sie. Wenn du Tassos Gerusaleme liberata verstehst, lese sie auch. Sonst kanst du das Buch J studii delle donne stückweise für dich nehmen, das ganze möchte für dich zu lang seyn. bey jedem auf die Sprache, die Sachen und die Wendungen womit die Sachen gesagt sind gesehen. Nur das mercke bey Ciceros briefen du must sie aussuchen. sonst ließ italienisch was du willst, nur den Decameron vom Boccacio nicht. Französch nim Les Lettres de Pline. Von den Comödien des Moliere will ich dir einen Auszug machen. So weit für dießmahl. Der Papa wird mit meinen Anstalten zufrieden seyn. Du siehst ich studiere doppelt für mich und für dich. Die Stunden die mir frey bleiben, sorg ich für dich, belohne mich, und folge. Noch eins. Laß das Liebe Mädgen die Runckel von dem was du ließt, auch genießen. Es ist mit für sie, daß ich arbeite. Nimm die Stücke des Zuschauers ließ sie ihr vor, frag ihre Gedancken und schreibe mir es. Auch das was sie sonsten denckt, alle ihre Gesinnungen, ich will für sie sorgen. Ich habe euch gar zu lieb. siehe ich schreibe bey Nacht für euch. Aber ich höre keine Hippine. Es ist schon 12. Noch was. Ich will auser dem Briefwechsel mit dir, noch einen mit euch beyden anfangen, und euch so viel ich kann zu nutzen suchen.[28] Du hast zeit dazu. Ihr sollt mich auch lieb haben, und alle Tage wünschen: o wär er doch bald bey uns. Leb wohl
G.
1/9.
d. 12 Dec. 65
abends um 8
Liebe Schwester
Es ist heute des Großpapas Geburtstag und du wirst sitzen und schmaußen, mitlerweile ich armer Mensch mit einem Gänse Flügelgen und einer Semmel zufrieden seyn muß. Doch ich will mich vergnügen, indem ich an dich schreibe.
Verschiedene Fragen. Was macht Stellwag? hat ihm sein Herr Schöff noch zu keiner Dorfpfarre geholfen, Es ist ein schönes Ämtgen und schickt sich für ihn.
He that has it, may pass his life
Drink with the 'Squire, and kiss hiss wife;
On Sundays preach, and eat his fill;
And fast on Fridays – if he will;
Toast Church and Queen, explain the news,
Talk with Church – Wardens about Pews
Pray heartily for some new Gift.
And shake his head at Doctor Swift.
Ferner ist Hr. Walter wieder in Franckfurth bey Steizen? ist er es; so laße man ihm sagen wir seyen auf unserer Reise, Nachts um 12 durch Eisenach gekomme[29] und ich hätte das Vergnügen nicht haben können ihn zu sehen. Ich ließ mich also jetzt um sein Wohlseyn erkundigen. Er ist ein sehr umständlicher Mann es wird ihm gefallen. Was macht Hr. Müller? Was macht der Hofraht Moritz? knorrt er noch immer? Hast du lange nichts von dem lieben Mädgen gehört?
Jetzo will ich dir einen auftrag geben. beyliegender Brief enthält ein Neujarsgedicht an den Großpapa. Steck ihn am Neujahrstage zu dir, und des abends wenn sie alle beysammen sind; so überreich ihn, aber nicht eher und mache wenn du kannst dass ihn Hr. Ohme Textor laut ließt. bemercke dann der ganzen Gesellschafft Gemühtsbewegungen und schreibe mir sie treulich. Daß sich aber ja niemand gelusten lässet den Brief vorher etwa zu eröffnen.
Noch verschiedenes von Leipzig. Man kann sie jetzo die Maulbeer stadt nennen, indem rings herum solche Bäume und Hecken gepflanzet sind, die zwar sehr von den Preusen ruiniret worden, doch aber jetzo wieder soviel als möglich hergestellt sind. Es ist hier eine Mahler Academie in der Vestung Pleisenburg in 3 Zimmern recht niedlich angeleget. Hr. Oeser ein geschickter Mann im Mahlen und radiren hat die Aufsicht, und Hr. von Hagedorn die Oberaufsicht darüber. Nähere Nachricht will ich zu geben suchen. (Die Gärten sind so prächtig als ich in meinem leben etwas gesehen habe ich schicke dir vielleicht einmahl den Prospeckt[30] von der Entree Apelischen, der ist königlich. Ich glaubte das erste mahl ich käme in die Elysischen Felder.) Du kannst dem Vater sagen wieviel Louisdor ich noch habe. Aber vorher must du es ausrechnen. Höre zu. Wenn ich noch einmahl so viel hätte als ich habe, und darüber noch die hälfte Ein Drittel, und drey sechstel von dem was ich habe; so würde ich Hundert Louisd, haben. Es ist leicht auszurechnen. (Meine Beinkleider bekomme ich erst in der Neujahrs Messe.) Ich habe wenig ferien die meisten Collegia werden durch die Messe fortgelesen. Ich besuche Fr. Prof. Böhmen sehr oft, die auserordentlich gütig gegen mich ist, ich habe auch schon mehr als 6 mahl dort gespeißt. Ich habe durch sie, und ihren Gemahl viele Particularitäten von Gellerten erfahren. Am Sontage war ich bey Hofraht Langen Abends bey Tische. Es ist ein unerträglich närrischer Man. Meine Tisch Gesellin war Mad. Linken. Sie ist mit hofraht Lange verwandt eine sehr schöne Frau, die einen Schöps zum Manne hat. sie ist sehr artig.
Die böse Welt sagt ihr nach
Her learning and good breeding such,
Whether th 'Italian or the Dutch
Spaniards or French came to her:
To all obliging she 'd appear:
'Twas Si Signor, 'twas Ja mein Herr
'Twas S'il vous plait Monsieur.
Ich aber glaub es nicht.
[31] Sage dem Vater, ich habe hier den II Theil des Spectaculum Naturae et artis gesehen, er soll zu Raspen schicken und ihn hohlen lassen.
d. 23. Dec.
Eben erhalte ich eure Briefe. Was ist das? Wie froh. Siehe gleich einen Fehler! davor statt dafür. Das Trauerspiel ist von Voltairen und heist Mahomet ou le Fanatisme. Nein Schwester spiele nicht mit, es ist unschicklich. Was! Hast du keine Zeit gehabt? ich will dich lehren so unfleißig zu sein. Mad. Beaumont läßt in dem letzten Magazin die Grundsätze ihrer Religion zu sehr blicken, so daß man schon fest sitzen muß wenn man es mit Nutzen leßen will. Was denckst du Gellert hat uns die ersten zu lesen empfohlen. Nichts vom Decameron Papst hin Pabst her. Der Vater müßte sie dann selbst aussuchen.
Von der Post. an den Papa. für den letzten Brief habe ich hier 6 gr. zahlen müssen. Was ist das für ein Brief von Hrn. Dr. Schlossern? ich habe an ihn geschrieben, und für den zahlte ich 4 gr. aber von ihm hab ich keinen Brief erhalten. Dem Pap. Mam. und dir wünsche glückliche und fröhlige Feyertage.
Schreibe bald und mehr wie du gethan hast, schrieb ich dir nicht auch 3 halbe Bögen und habe weniger Zeit wie du, du kannst ja klein schreiben.[32]
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Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.
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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
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