Das V. Kapitel.

[27] Was die Rittmeisterin Courasche in ihrem Wittibstand vor ein ehrbares, züchtiges, wie auch verruchtes gottloses Leben geführet; wie sie einem Grafen zu Willen wird, einen Ambassador umb seine Pistolen bringet und sich andern mehr, umb reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft.


Weil ich meine vorhabende Reise Unsicherheit halber von Wien aus nach Bragoditz so bald nicht ins Werk zu setzen getraute, zumalen es in den Wirtshäusern grausam teur zu zehren war, als verkaufte ich meine Pferde und schaffte alle meine Diener ab, dingte mir aber hingegen eine Magd und bei einer Wittib eine Stube, Kammer und Kuchel, umb genau zu hausen und Gelegenheit zu erwarten, mit deren ich sicher nach Haus kommen könnte. Dieselbe Wittib war ein rechtes Tauß-Es, die nicht viel ihresgleichen hatte. Ihre zwo Töchter aber waren unsers Volks und beides, bei der Hofbursch und den Kriegsoffiziern, wohlbekannt, welche mich auch bei denselben bald bekannt machten, so daß dergleichen Schnapphahnen in Kürze die große Schönheit der Rittmeisterin, die sich bei ihnen enthielte, untereinander zu rühmen wußten. Gleichwie mir aber mein schwarzer Traurhabit ein sonderbares Ansehen und ehrbare Gravität verliehe, zumalen meine Schönheit desto höher herfürleuchten[27] machte, also hielte ich mich auch anfänglich gar still und eingezogen. Meine Magd mußte spinnen, ich aber begab mich aufs Nähen, Wirken und andere Frauenzimmerarbeit, daß es die Leute sahen; heimlich aber pflanzte ich meine Schönheit auf und konnte oft eine ganze Stund vorm Spiegel stehen, zu lernen und zu begreifen, wie mir das Lachen, das Weinen, das Seufzen und andere dergleichen veränderliche Sachen anstunden; und diese Torheit sollte mir ein genugsame Anzeigung meiner Leichtfertigkeit und eine gewisse Prophezeiung gewesen sein, daß ich meiner Würtin Töchtern bald nachähmen würde; welche auch, damit solches bald geschähe, samt der Alten anfiengen, gute Kundschaft mit mir zu machen, und, mir die Zeit zu kürzen, mich oft in meinem Zimmer besuchten, da es dann solche Diskurse setzte, die so jungen Dingern, wie ich war, die Frommkeit zu erhalten gar ungesund zu sein pflegen, sonderlich bei solchen Naturen, wie die meinige inkliniert gewesen. Sie wußte mit weitläufigen Umbschweifen artlich herumbzukommen und lernete meine Magd anfänglich, wie sie mich recht auf die neue Mode aufsetzen und ankleiden sollte. Mich selbst aber unterrichtet sie, wie ich meine weiße Haut noch weißer und meine goldfarbe Haar noch glänzender machen sollte; und wann sie mich dann so gebutzt hatte, sagte sie, es wäre immer schad, daß so ein edele Kreatur immerhin in einem schwarzen Sack stecken und wie ein Turteltäublein leben sollte. Das tät mir dann trefflich kirr und war Öl zu dem ohnedas brennenden Feur meiner anreizenden Begierden. Sie lehnete mir auch den »Amadis«, die Zeit darin zu vertreiben und Komplimenten daraus zu ergreifen; und was sie sonst erdenken konnte, das zu Liebeslüsten reizen machte, das ließe sie nicht unterwegen.

Indessen hatten meine abgeschaffte Diener ausgesprengt und unter die Leute gebracht, was ich vor eine Rittmeisterin gewesen und wie ich zu solchem Titul kommen; und weil sie mich nicht anders zu nennen wußten, verbliebe mir der Nam »Courasche«. Auch fieng ich nach und nach an, meines Rittmeisters zu vergessen, weil er mir nicht mehr warm gab; und indem ich sahe, daß meiner Würtin Töchter so guten Zuschlag hatten, wurde mir das Maul allgemach nach neuer Speise wässerig, welche mir auch meine Würtin lieber als ihr selbst gern gegönnt hätte. Doch dorfte sie mir, solang ich die Traur nicht ablegte, noch nichts dergleichen so öffentlich zumuten, weil sie sähe, daß ich die Anwürf, so hierauf zieleten, gar kaltsinnig annahm. Gleichwohl unterließen etliche vornehme Leute nicht, ihr täglich meinetwegen anzuliegen und umb ihr Haus herumbzuschwärmen[28] wie die Raubbienen umb ein Immenfaß. Unter diesen war ein junger Graf, der mich neulich in der Kirchen gesehen und sich aufs äußerste verliebt hatte. Dieser spendierte trefflich, einen Zutritt zu mir zu bekommen, und damit es ihm anderwärts gelingen möchte, weil ihn meine Würtin noch zur Zeit nicht kecklich bei mir anzubringen getraute (die er dessentwegen oft vergeblich ersucht), erkundigte er von einem meiner gewesenen Diener alle Beschaffenheit des Regiments, darunter mein Rittmeister gelebt; und als er der Offizier Namen wußte, demütigt er sich, mir aufzuwarten oder mich persönlich zu besuchen, umb seinen Bekannten nachzufragen, die er sein Lebtag nicht gesehen hatte. Von dannen kam er auch auf meinen Rittmeister, von welchem er aufschnitte, daß er in der Jugend neben ihm studiert und allzeit gute Kundschaft und Verträulichkeit mit ihm gehabt hätte, beklagte auch seinen frühezeitigen Abgang und lamentierte damit zugleich über mein Unglück, daß es mich in einer solchen zarten Jugend so bald zu einer Wittib gemacht, mit Anerbieten, da ich in irgendwas seiner Hülfe bedürftig wäre, etc. Mit solchen und dergleichen Aufzügen suchte der junge Herr, sein erste Kundschaft mit mir zu machen, die er auch bekam; und ob ich zwar greifen konnte, daß er im Reden irrete (dann mein Rittmeister hatte ja das geringste nicht studiert), so ließe ich mir doch seine Weise Wohlgefallen, weil feine Meinung dahin gieng, des abgangnen Rittmeisters Stell bei mir zu ersetzen. Doch stellte ich mich gar frembt und kaltsinnig, gab kurzen Bescheid und zwang ein zierlichs Weinen daher, bedankte mich seines Mitleidens und der anerbottenen Gnad mit so beschaffnen Komplimenten, die genugsamb waren, ihme anzudeuten, daß sich seine Liebe vor diesmal mit einem guten Anfang genügen lassen, er selbst aber wiederumb einen ehrlichen Abscheid von mir nehmen sollte.

Den andern Tag schickte er seinen Lakaien, zu vernehmen, ob er mir kein Ungelegenheit machte, wann er käme, mich zu besuchen. Ich ließe ihm wider sagen, er machte mir zwar keine Ungelegenheit, und ich möchte seine Gegenwart auch wohl leiden, allein weil es wunderliche Leute in der Welt gäbe, denen alles verdächtig vorkäme, so bäte ich, er wolle meiner verschonen und mich in kein bös Geschrei bringen. Diese unhöfliche Antwort machte den Grafen nicht allein nicht zornig, sondern viel verliebter; er passierte maulhenkolisch bei dem Hause vorüber, der Hoffnung, aufs wenigst nur seine Augen zu weiden, wann er mich am Fenster sähe, aber vergeblich: ich wollte meine War recht teur an Mann bringen und ließe mich nicht sehen. Indessen[29] nun dieser vor Liebe halber vergieng, legte ich meine Trauer ab und prangte in meinem andern Kleid, darin ich mich dorfte sehen lassen; da unterließe ich nichts, das mich ziern möchte, und zohe damit die Augen und Herzen vieler großen Leut an mich, welches aber nur geschahe, wann ich zur Kirchen gieng, weil ich sonst nirgends hinkam. Ich hatte täglich viel Grüße und Bottschaften von diesen und von jenen anzuhören, die alle in des Grafen Spital krank lagen; aber ich bestunde so unbewöglich wie ein Felsen, bis ganz Wien nicht allein von dem Lob meiner unvergleichlichen Schönheit, sondern auch von dem Ruhm meiner Keuschheit und anderer seltenen Tugenden erfüllt ward. Da ich nun meine Sach so weit gebracht, daß man mich schier vor eine halbe Heiliginne hielte, dunkte mich Zeit sein, meinen bisher bezwungenen Begierden den Zaum einmal schießen zu lassen und die Leute in ihrer guten von mir gefaßten Meinung zu betrügen. Der Graf war der erste, dem ich Gunst bezeugte und widerfahren ließe, weil er, solche zu erlangen, weder Mühe noch Unkosten sparete. Er war zwar liebenswert und liebte mich auch von Herzen, und ich hielte ihn vor den Besten unterm ganzen Haufen, mir meine Begierden zu sättigen; aber dannoch so wäre er nicht darzu kommen, wann er mir nicht gleich nach abgelegter Traur ein Stück kolumbinen Adlas mit aller Ausstaffierung zu einem neuen Kleid geschickt und vor allen Dingen 100 Dukaten in meine Haushaltung, umb daß ich mich über meines Manns Verlust desto besser trösten sollte, verehrt hätte. Der ander nach ihm war eines großen Potentaten Ambassador, welcher mir die erste Nacht 60 Pistolen zu verdienen gabe; nach diesem kamen auch andere, und zwar keine, die nicht tapfer spendieren konnten; dann was arm war oder wenigst nicht gar reich und hoch, das mochte entweder draußen bleiben oder sich mit meiner Würtin Töchtern behelfen. Und solchergestalt richtete ichs dahin, daß meine Mühle gleichsamb nie leer stunde; ich malzerte auch so meisterlich, daß ich inner Monatsfrist über 1000 Dukaten in Specie zusammenbrachte, ohne dasjenige, was mir an Kleinodien, Ringen, Ketten, Armbändern, Sammet, Seiden- und Leinengezeug (mit Strümpfen und Handschuhen dorfte wohl keiner aufziehen), auch an Viktualien, Wein und anderen Sachen verehrt wurde; und also gedachte ich, mir meine Jugend fürderhin zunutz zu machen, weil ich wußte, daß es heißt:


»Ein jeder Tag bricht dir was ab

Von deiner Schönheit bis ins Grab.«
[30]

Und es müßte mich auch noch auf diese Stund reuen, wann ich weniger getan hätte. Endlich machte ichs so grob, daß die Leute anfiengen mit Fingern auf mich zu zeichen und ich mir wohl einbilden konnte, die Sach würde so in die Länge kein gut tun; dann ich schlug zuletzt dem Geringen auch keine Reis ab. Meine Würtin war mir treulich beholfen und hatte auch ihren ehrlichen Gewinn davon. Sie lernete mich allerhand feine Künste, die nicht nur leichtfertige Weiber können, sondern auch solche, damit sich teils lose Männer schleppen, sogar, daß ich mich auch fest machen und einem jeden, wann ich nur wollte, seine Büchsen zubannen konnte, und ich glaube, wann ich länger bei ihr blieben wäre, daß ich auch gar hexen gelernt hätte. Demnach ich aber getreulich gewarnet wurde, daß die Obrigkeit unser Nest ausnehmen und zerstören würde, kaufte ich mir eine Kalesch und zwei Pferd, dingte einen Knecht und machte mich damit unversehens aus dem Staub, weil ich eben gute Gelegenheit hatte, sicher nach Prag zu kommen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 27-31.
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