Das XXV. Kapitel.

[98] Courasche wird über ihren Übeltaten erwischt und der Stadt verwiesen.


Jetzt sollte ich zwar abbrechen und aufhören, von meinem fernern Lebenslauf zu erzählen, weilen genugsam verstanden worden, was vor eine Dame Simplicius übertölpelt zu haben sich gerühmet; gleichwie er aber von deme, was allbereit gesagt worden, ohne Zweifel fast nichts als Spott und Schand haben wird, also wirds ihm auch wenig Ehr bringen, was ich noch fürters anzeigen werde.

Ich hatte hinter meinem Hause einen Garten in der Stadt, beides von Obsgewächs, Kräuter und Blumen, der sich dorfte sehen lassen und alle andere trutzte, und neben mir wohnete ein alter Mechaberis oder Susannenmann, welcher ein Weib hatte, die viel älter war als er selbsten. Diese wurde zeitlich innen, von was vor einer Gattung ich war, und ich schlug auch nicht ab, in Notfall mich seiner Hülf zu bedienen, wessentwegen wir dann oft in besagtem Garten zusammenkamen und gleichsam im Raub und höchster Eil Blumen brachen, damit es sein eifersüchtige Alte nit gewahr würde, wie wir dann auch nirgends[98] so sicher als in diesem Garten zusammenkommen konnten, als da das grüne Laub und die verdeckte Gäng unserer Meinung nach vor dem Menschen, aber nicht vor den Augen Gottes unsere Schand und Laster bedeckten. Gewissenhafte Leut werden darvorhalten, unser Sündenmaß seie damal entweder voll und überhäuft gewesen, oder die Güte Gottes hätte uns zur Besserung und Buße berufen wollen. Wir hatten einander im Anfang des Septembris Losung gegeben, denselben lieblichen Abend im Garten unter einem Birnbaum zusammenzukommen, eben als zween Musketierer aus unserer Garnison ein Anschlag gemacht hatten, selbigen Abend ihren Part von meinen Birn zu stehlen, wie sie auch den Baum bestiegen und zu brechen anfiengen, ehe ich und der Alte in Garten kommen. Es war ziemlich finster, und mein Buhler stellte sich ehender ein als ich, bei dem ich mich aber auch gar bald befande und dasjenige Werk mit ihm angienge, das wir ehmalen miteinander zu treiben gewohnt waren. Potzherz! ich weiß nicht, wie es gienge; der eine Soldat regte sich auf dem Baum, um unserer Gaukelfuhr besser wahrzunehmen, und war so unvorsichtig, daß er alle seine Birn, die er gebrochen hatte, verschüttelt; und als selbige auf den Boden fielen, bildeten ich und der Alte sich nichts anders ein, als es wäre etwan ein starkes Erdbiden von Gott gesendet und verhängt, uns von unsern schandlichen Sünden abzuschrecken, wie wir dann einander auch solches mit Worten zu verstehen gaben und beide in Angst und Schrecken von einander liefen. Die auf dem Baum aber konnten sich des Lachens nicht enthalten, welches uns noch größere Furcht einjagte, sonderlich dem Alten, der da vermeinte, es wäre ein Gespenst, das uns plagte. Derowegen begab sich ein jedes von uns in seine Gewahrsam.

Den andern Tag kam ich kaum auf den Markt, da schriee ein Musketierer: »Ich weiß was!« Ein anderer fragte ihn mit vollem Hals: »Was weißt du dann?« Jener antwortet: »Es hat heut Birnen geerdbidmet.« Dies Geschrei kam je länger je stärker, also daß ich gleich merkte, was die Glocke geschlagen, und mich im Angesicht anrötete, wiewohl ich mich sonst zu schämen nit gewohnet war. Ich machte mir gleich die Rechnung, daß ich eine Hatz ausstehen müßte, gedachte aber nicht, daß es so grob hergehen würde, wie ich hernach erfuhr. Dann nachdem die Kinder auf der Gassen von unserer Geschicht zu sagen wußten, konnte der Magistrat nichts anders tun, als daß er mich und den Alten beim Kopf nehmen und jedweders besonders gefangen setzen ließe. Wir leugneten aber beide wie die Hexen, ob man uns gleich mit dem Henker und der Tortur dräuete.[99]

Man inventiert und verpetschiert das Meinige und examiniert mein Hausgesind bei dem Eid, deren Aussag aber widereinander liefe, weil sie nit alle von meinen losen Stücken wußten und mir die Mägd getreu waren. Endlich verschnappte ich den Handel selbst, als nämlich der Schultheiß, welcher mich Frau Bas nennete, oft zu mir in das Gefängnis kam und großes Mitleiden vorwandte, in Wahrheit aber mehr ein Freund der Gerechtigkeit als mein Vetter war. Dann nachdem er mich in aller falschen Verträulichkeit überredet, mein Alter hätte den begangenen und oftmals wiederholten Ehebruch gestanden, fuhre ich unversehens heraus und sagte: »So schlag ihm der Hagel ins Maul, weils der alte Scheuster nicht hat halten können!« bate demnach meinen vermeinten Freund, er wollte mir doch getreulich da durchhelfen. Er aber hingegen machte mir eine scharfe Predigt daher, tät die Tür auf und wiese mir einen Notarium und bei sich habende Zeugen, die alle meine und seine Reden und Gegenreden angehört und aufgemerkt hatten.

Darauf gieng es wunderlich her: die meiste Ratsherrn hielten darvor, man sollte mich an die Folter werfen, so würde ich viel mehr dergleichen Stücke bekennen und alsdann nach befindenden Dingen als eine unnütze Last der Erden um eines Kopfs kürzer zu machen sein, welcher Sentenz mir auch weitläuftig notifiziert wurde. Ich hingegen ließe mich vernehmen, man suche nicht so sehr der lieben Gerechtigkeit und den Gesehen ein Genügen zu tun, als mein Gelt und Gut zu konfiszieren. Würde man so streng mit mir prozediern, so würden noch viel, die vor ehrliche Burger gehalten werden, mit mir zur Leiche gehen oder mir das Geleit geben müssen. Ich konnte schwätzen wie ein Rechtsgelehrter, und meine Wort und Protestationes fielen so scharpf und schlau, daß sich Verständige darvor entsetzten. Zuletzt kam es dahin, daß ich auf eine Urfehd die Stadt quittieren und zu mehr als wohlverdienter Strafe alle meine Mobilia und liegende Güter dahinden lassen mußte, darunter sich gleichwohl mehr als über 1000 Reichstaler bar Geld befande. Meine Kleidungen, und was zu meinem Leib gehörte, wurde mir gefolgt, außer etliche Kleinodien, die einer hier, der ander dort zu sich zwackte. In Summa, was wollte ich tun? Ich hatte wohl Größers verdienet, wann man strenger mit mir hätte prozedieren wollen, aber es war halt im Krieg, und dankte jedermänniglich dem gütigen Himmel (ich sollte gesagt haben »jeder weiberlich«), daß die Stadt meiner so taliter qualiter losworden.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 98-100.
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