Das XXVII. Kapitel.

[104] Nachdem der Courasche Mann in einem Treffen geblieben und Courasche selbst auf ihrem Maulesel entrunnen, trifft sie eine Zigeunerschar an, unter welchen der Leutenant sie zum Weib nimmt; sie sagt einem verliebten Fräulein wahr, entwendet ihr darüber alle Kleinodien, behält sie aber nicht lang, sondern muß solche, wohlabgeprügelt, wieder zustellen.


In erstgemeldtem Treffen kame ich vermittelst meines guten Maulesels darvon, nachdem ich zuvor meine Zelt und schlechteste Bagage hinweggeworfen, retterierte mich auch mit dem Rest der übriggebliebenen Armee so wohl als der Touraine selbsten bis nach Kassel; und demnach mein Mann tot geblieben und ich niemand mehr hatte, zu dem ich mich hätte gesellen mögen oder der sich meiner angenommen, nahme ich endlich meine Zuflucht zu den Zigeunern, die sich von der schwedischen Haubtarmada[104] bei den Königsmarkischen Völkern befanden, welche sich mit uns bei Wartburg konjungiert, und indem ich bei ihnen einen Leutenant antrafe, der gleich meiner guten Qualitäten und trefflichen band zum Stehlen, wie auch etwas Geldes hinter mir wahrnahm, samt andern mehr Tugenden, deren sich diese Art Leut gebrauchen, siehe! so wurde ich gleich sein Weib und hatte diesen Vorteil, daß ich weder Oleum Talci noch ander Schmiersel mehr bedorfte, mich weiß und schön zu machen, weil sowohl mein Stand selbsten als mein Mann diejenige Coleur von mir erforderte, die man des Teufels Leibfarb nennet. Derowegen fienge ich an, mich mit Gänsschmalz, Läussalbe und andern haarfärbenden Unguenten also fleißig zu beschmieren, daß ich in kurzer Zeit so höllrieglerisch aussahe, als wann ich mitten in Ägypten geboren worden wäre. Ich mußte oft selbst meiner lachen und mich über meine vielfältige Veränderung verwundern. Nichtsdestoweniger schickte sich das Zigeunerleben so wohl zu meinem Humor, daß ich es auch mit keiner Obristin vertauscht haben wollte. Ich lernete in kurzer Zeit von einer alten ägyptischen Großmutter wahrsagen; lügen und stehlen aber kunnte ich zuvor, außer daß ich der Zigeuner gewöhnliche Handgriff noch nicht wußte; aber was darfs viel Wesens? ich wurde in Kürze so perfekt, daß ich auch vor eine Generalin aller Zigeunerinnen hätte passieren mögen.

Gleichwohl aber war ich so schlau nicht, daß es mir überall ohne Gefahr, ja ohne Stöße abgangen wäre, wiewohl ich mehr einheimbschte und meinem Mann zu verschlemmen zubrachte als sonst meiner zehne. Höret, wie mirs einsmals so übel gelungen. Wir lagen über Nacht und ein Tag ohnweit von einer Freundsstadt im Vorbeimarschieren, da jedermann hineindorfte, um seinen Pfenning einzukaufen, was er wollte. Ich machte mich auch hinein, mehr einzunehmen und zu stehlen, als Geld auszugeben oder etwas zu kaufen, weil ich sonst nichts zu erkaufen gedachte, als was ich mit fünf Fingern oder sonst einem künstlichen Griff zu erhandeln verhoffte. Ich war nicht weit die Stadt hineinpassiert, als mir eine Madamoiselle eine Magd zuschickte und mir sagen ließe, ich sollte kommen, ihrer Fräulein wahrzusagen; und von diesem Boten selbsten vernahm ich gar von weiten und gleichsam Über hundert Meilen her, daß ihrer Fräulein Liebhaber rebellisch worden und sich an eine andere gehenkt. Solches machte ich mir nun trefflich zunutz; dann da ich zu der Damen kame, trafe ich mit meiner Wahrsagung so nett zu, daß sie auch alle Kalendermacherei, ja der elenden Madamoisellen Meinung nach alle Propheten samt ihren Prophezeiungen übertrafe.[105] Sie klagte mir endlich ihre Not und begehrte zu vernehmen, ob ich kein Mittel wisse, den variablen Liebhaber zu bannen und wieder in das gerechte Gleis zu bringen. »Freilich, tapfere Dame!« sagte ich, »er muh wieder umkehren und sich zu Eurem Gehorsam einstellen, und sollte er gleich einen Harnisch anhaben wie der große Goliath.« Nichts Angenehmers hätte diese verliebte Tröpfin hören mögen als eben dies und begehrte auch nichts anders, als daß meine Künst alsobald ins Werk gesetzt würden. Ich sagte: »Wir müssen allein sein und es müßte alles unbeschrieen zugehen.« Darauf wurden ihre Mägd abgeschafft und ihnen das Stillschweigen auferlegt; ich aber gieng mit der Madamoisellen in ihr Schlafkammer. Ich begehrte von ihr einen Trauerschleier, den sie gebraucht, als sie um ihren Vatter Leid getragen, item zwei Ohrgehäng, ein köstlich Halsgehäng, das sie eben anhatte, ihren Gürtel und liebsten Ring. Als ich diese Kleinodien hatte, wickelt ich sie zusammen in den Schleier, machte etliche Knöpf daran, murmelte unterschiedliche närrische Wörter darzu und legte alles zusammen in der Verliebten Bette; hernach sagte ich, wir müssen miteinander in Keller. Da wir hinkamen, überredet ich sie, daß sie sich auszöge bis aufs Hembd; und unterdessen als solches geschahe, machte ich etliche wunderbare Characteres an den Boden eines großen Fasses voll Wein, zoge endlich den Zapfen heraus und befahl der Damen, ihren Finger vorzuhalten, bis ich die Kunst mit dem Zapfen droben im Hause auch der Gebühr nach verrichtet hätte. Da ich nun das einfältige Ding dergestalten gleichsam angebunden, gieng ich hin und holete die Kleinodien aus ihrem Bette, mit welchen ich mich ohnverweilt aus der Stadt machte.

Aber entweder wurde dieser fromme leichtglaubige Verliebte samt den Seinigen vom gütigen Himmel beschützt, oder ihre Kleinodia waren mir sonst nicht bescheret; dann ehe ich unser Lager mit meiner Beute gar erreichte, ertappte mich ein vornehmer Offizier aus der Garnison, der solche wieder von mir fordert. Ich leugnete zwar, er wiese mir aber was anders; doch kann ich nicht sagen, daß er mich geprügelt, hingegen aber schweren, daß er mich rechtschaffen gedegelt habe. Dann nachdem er seinen Diener absteigen lassen, um mich zu besuchen, ich aber demselbigen mit meinem schröcklichen Zigeunermesser begegnet, mich dessen zu erwehren, siehe! da zog er von Leder und machte mir nicht allein den Kopf voller Beulen, sondern färbte mir auch Arm, Lenden und Achseln so blau, daß ich wohl 4 Wochen daran zu salben und zu verblauen hatte. Ich[106] glaube auch, der Teufel hätte bis auf diese Stund noch nicht aufgehöret zuzuschlagen, wann ich ihm meine Beut nicht wieder hingeworfen. Und dieses war vor diesmal der Lohn beides, meiner artlichen Erfindung und des künstlichen Betrugs selbsten.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 104-107.
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