|
Nicht unverhoffter schluss,
Doch viel zu später ernst! Verzeih es mir, ich muss
Entdecken, was mich druckt. Der käyser ist zu linde
Und schertzt mit seinem heil. Wer, wenn die rauhen winde
Sich lägern um die gluth, den flammen zu wil sehn,
Biss es um gibell schon und höchstes dach geschehn
Rufft leider nur umsonst, wenn maur und pfeiler krachen
Und stein und marmor fällt. Die ertzverräther wachen;
Wir schlaffen sicher ein. Sie suchen unsern tod;
Wir sorgen vor ihr glück, und nun die grimme noth
Uns mit entblößtem schwerdt schon anlaufft zu bekriegen,
Sind wir bedacht, in traum mit worten sie zu wiegen.
Warum doch Exabol, spricht man den tauben zu?
Die schlange stopfft ihr ohr; der stahl schafft einig ruh
Dem käyser, dir und mir. Ich soll den mörder binden;
Warum nicht seine brust mit diesem dolch ergründen,
So ist sein pochen aus? Diß ist Nicanders rath:
Man lobt ein großes werck nur nach vollbrachter that.
EXABOLIUS.
Ich steh es gerne zu, dass sein verletzt gewissen
Durch nichts als blut und tod mög alle greuel büßen;
Doch wenn der straff ein mann zu theil kömmt unverhört,
Wird, wie befleckt er sey, er stets als fromm geehrt.
NICANDER.
Ihr meint durch langes recht die schnelle pest zu dämpffen,
Die augenblicklich wächst! Ihr meint mit recht zu kämpffen,
Indem er spieß ergreifft! Ser irrt, der einen tag
Dem nachsieht, dem er bald den nacken brechen mag.
EXABOLIUS.
Man wird nicht lange zeit mit rechten hier verlieren.
NICANDER.
Ich kan ein kürtzer recht mit diesem stahl ausführen.
EXABOLIUS.
Des käysers ruhm läst nicht so schnelle richter zu.[28]
NICANDER.
Des käysers wohlfarth heischt und billicht, was ich thu.
EXABOLIUS.
Warum will man dem neid zu lästern anlass geben?
NICANDER.
Warum soll dieses haupt der auffruhr weiter leben?
EXABOLIUS.
Sein untergang ist dar, wo er nicht stracks umkehrt.
NICANDER.
Wo nicht sein schwerdt zuvor uns durch die hertzen fährt!
EXABOLIUS.
Dein eyfer ist zwar gut, Nicander, doch zu hitzig.
NICANDER.
Macht, Exabol, macht nicht den anschlag gar zu spitzig!
Er sticht uns sonst noch selbst.
EXABOLIUS.
Thu, was der käyser heist!
Besetze saal und hof! Wofern der freche geist
Nicht in die schranken will, so lass ihn stracks bespringen.
NICANDER.
Man muss die stärckste schaar in nächste zimmer bringen.
EXABOLIUS.
Bleib hinter dem tapett mit den trabanten stehn!
NICANDER.
Gar recht! so hör ich an, wie diß spiel aus will gehn.
Ausgewählte Ausgaben von
Leo Armenius
|
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro