An ein schönes Kind

[321] Du blickst, um deiner Mutter Hals dich schmiegend,

Mich hold und lächelnd an, ein sel'ger Stummer;

Die Wonne schließt den Mund, ihn lös't der Kummer,

Du brauchst die Sprache nicht, in Luft dich wiegend.


Doch jetzt, der Kraft des Lenzes still erliegend,

Durch Bienen eingefurrt und and're Summer,

Von Duft betäubt, fällst du in tiefen Schlummer,

Ein Rosenblatt, in einen Brunnen fliegend.


O! würdest du der Maler und der Dichter

Gewaltigster, du wirst durch all dein Ringen

Das Höchste nie, wie jetzt im Spiel, verrathen,[321]


Nie so das Schöne durch der Farbe Lichter,

Nie so das Reine durch dein frömmstes Singen,

Nie so das Menschlich-Göttliche durch Thaten!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 321-322.
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