[577] Aaron und die übrigen fünf Richter treten ein. Alexandra und Salome folgen. Joab erscheint gleich darauf.
ALEXANDRA.
Mein König und mein Herr, sei mir gegrüßt!
HERODES.
Ich danke dir!
Er setzt sich auf seinen Thron. Titus setzt sich ihm zur Seite. Die Richter setzen sich dann auf seinen Wink im Halbkreis um die Tafel.
ALEXANDRA während dies geschieht.
Vom Schicksal Mariamnens
Scheid ich das meinige, und spare mich,
Wie eine Fackel, für die Zukunft auf!
Sie setzt sich neben Salome.
HERODES zu den Richtern.
Ihr wißt, warum ich euch berufen ließ!
AARON.
In tiefstem Schmerz erschienen wir vor dir!
HERODES.
Nicht zweifl ich! Mir und meinem Hause seid
Ihr alle eng befreundet und verwandt,
Was mich trifft, trifft euch mit! Euch wird es freun,
Wenn ihr die Königin, die –
Er stockt.
Schenkt mir das!
Euch wird es freun, wenn ihr sie nicht verdammen,
Wenn ihr, anstatt nach Golgatha hinaus,
Zurück mir in das Haus sie schicken dürft,
Doch werdet ihr auch vor dem Äußersten
Nicht mutlos zittern, wenn es nötig wird,
Denn, wie ihr Glück und Unglück mit mir teilt,
So teilt ihr Schmach und Ehre auch mit mir.
Wohlan denn!
Er gibt Joab ein Zeichen. Joab geht ab. Dann erscheint er wieder mit Mariamne. – Es entsteht eine lange Pause.
HERODES.
Aaron!
AARON.
Königin! Uns ward
Ein schweres Amt! Du stehst vor deinen Richtern!
MARIAMNE.
Vor meinen Richtern, ja, und auch vor euch!
AARON.
Erkennst du dies Gericht nicht an?
MARIAMNE.
Ich sehe
Ein höhres hier! Wenn das auf eure Fragen
Die Antwort mir gestattet, werd ich reden,
Und schweigen werd ich, wenn es sie verbeut! –
Mein Auge sieht euch kaum! Denn hinter euch[577]
Stehn Geister, die mich stumm und ernst betrachten,
Es sind die großen Ahnen meines Stamms
Drei Nächte sah ich sie bereits im Traum,
Nun kommen sie bei Tage auch, und wohl
Erkenn ich, was es heißt, daß sich der Reigen
Der Toten schon für mich geöffnet hat
Und daß, was lebt und atmet, mir erbleicht.
Dort, hinter jenem Thron, auf dem ein König
Zu sitzen scheint, steht Judas Makkabäus:
Du Held der Helden, blicke nicht so finster
Auf mich herab, du sollst mit mir zufrieden sein!
ALEXANDRA.
Sei nicht zu trotzig, Mariamne!
MARIAMNE.
Mutter!
Leb wohl! –
Zu Aaron.
Weswegen bin ich hier verklagt?
AARON.
Du habest deinen König und Gemahl
Betrogen –
Zu Herodes.
Nicht?
MARIAMNE.
Betrogen? Wie? Unmöglich!
Hat er mich nicht gefunden, wie er mich
Zu finden dachte? Nicht bei Tanz und Spiel?
Zog ich, als ich von seinem Tode hörte,
Die Trauerkleider an? Vergoß ich Tränen?
Zerrauft ich mir das Haar? Dann hätt ich ihn
Betrogen, doch ich hab es nicht getan
Und kann es dartun. Salome, sprich du!
HERODES.
Ich fand sie, wie sie sagt. Sie braucht sich nicht
Nach einem andern zeugen umzusehn.
Doch niemals, niemals hätte ichs gedacht!
MARIAMNE.
Niemals gedacht? Und doch verlarvt den Henker
Dicht hinter mich gestellt? Das kann nicht sein!
Wie ich beim Scheiden stand vor seinem Geist,
So hat er mich beim Wiedersehn gefunden,
Drum muß ich leugnen, daß ich ihn betrog!
HERODES in ein wildes Gelächter ausbrechend.
Sie hat mich nicht betrogen, weil sie nichts
Getan, als was das Vorgefühl, die Ahnung,
Wie preis ich sie, die düstre Warnerin!
Mich fürchten ließ –
Zu Mariamne.
Weib! Weib! Dies steht dir an![578]
Doch baue nicht zu fest darauf, daß ich
Mit Glück und Ruhe auch die Kraft verlor,
Mir blieb vielleicht ein Rest noch für die Rache,
Und – schon als Knabe schoß ich einem Vogel
Stets einen Pfeil nach, wenn er mir entflog.
MARIAMNE.
Sprich nicht von Vorgefühl und Ahnung, sprich
Von Furcht allein! Du zittertest vor dem,
Was du verdientest! Das ist Menschen-Art!
Du kannst der Schwester nicht mehr traun, seit du
Den Bruder tötetest, du hast das Ärgste
Mir zugefügt und glaubst nun, daß ichs dir
Erwidern, ja, dich überbieten muß!
Wie, oder hast du stets, wenn du dem Tod
In ehrlich-offnem Krieg entgegen zogst,
Den Henker hinter mich gestellt? Du schweigst!
Wohlan denn! Da dus selbst so tief empfindest,
Was sich für mich geziemt, da deine Furcht
Mich über meine Pflicht belehrt, so will
Ich endlich diese heilge Pflicht erfüllen,
Drum scheid ich mich auf ewig von dir ab!
HERODES.
Antwort! Bekennst du? Oder tust dus nicht?
MARIAMNE schweigt.
HERODES zu den Richtern.
Ihr seht, das Eingeständnis fehlt! Und auch
Beweise hab ich nicht, wie ihr sie braucht!
Doch habt ihr einmal einen Mörder schon
Zum Tod verdammt, weil des Erschlagnen Kleinod
Sich bei ihm fand. Es half ihm nichts, daß er
Auf seine wohlgewaschnen Hände wies,
Und nichts, daß er euch schwur, der Tote habe
Es ihm geschenkt: Ihr ließt den Spruch vollziehn!
Wohlan! So stehts auch hier! Sie hat ein Kleinod,
Was mir bezeugt, unwidersprechlicher,
Wie's irgend eine Menschenzunge könnte,
Daß sie den Greul der Greul an mir beging.
Ein Wunder hätt nicht bloß geschehn, es hätte
Sich wiederholen müssen, wär es anders,
Und Wunder wiederholten sich noch nie![579]
MARIAMNE macht eine Bewegung.
HERODES.
Zwar wird sie sprechen, wie der Mörder sprach:
Man habe ihrs geschenkt! Auch darf sies wagen,
Denn, wie ein Wald, ist eine Kammer stumm.
Doch, wäret ihr versucht, ihr das zu glauben,
So setz ich euch mein innerstes Gefühl
Und die Ergründung aller Möglichkeiten
Entgegen, und verlange ihren Tod.
Ja, ihren Tod! Ich will den Kelch des Ekels
Nicht leeren, den der Trotz mir beut, ich will
Nicht Tag für Tag mich mit dem Rätsel quälen,
Ob solch ein Trotz das widerwärtigste
Gesicht der Unschuld, ob die frechste Larve
Der Sünde ist, ich will mich aus dem Wirbel
Von Haß und Liebe, eh er mich erstickt,
Erretten, kost es, was es kosten mag!
Darum hinweg mit ihr! – Ihr zögert noch?
Es bleibt dabei! – Wie? Oder traf ichs nicht?
Sprecht ihr! Ich weiß, das Schweigen ist an mir!
Doch sprecht! Sprecht! Sitzt nicht da, wie Salomo
Zwischen den Müttern mit den beiden Kindern!
Der Fall ist klar! Ihr braucht nicht mehr zum Spruch,
Als was ihr seht! Ein Weib, das dastehn kann,
Wie sie, verdient den Tod, und wär sie rein
Von jeder Schuld! Ihr sprecht noch immer nicht?
Wollt ihr vielleicht erst den Beweis, wie fest
Ich überzeugt bin, daß sie mich betrog?
Den geb ich euch durch des Soemus Kopf,
Und das sogleich!
Er geht auf Joab zu.
TITUS erhebt sich.
Dies nenn ich kein Gericht!
Verzeih!
Er will gehen.
MARIAMNE.
Bleib, Römer, ich erkenn es an!
Wer wills verwerfen, wenn ich selber nicht!
TITUS setzt sich wieder.
ALEXANDRA steht auf.
MARIAMNE tritt zu ihr heran, halblaut.[580]
Du hast viel Leid mir zugefügt, du hast
Nach meinem Glück das deine nie gemessen!
Soll ich es dir verzeihn, so schweige jetzt!
Du änderst nichts, mein Entschluß ist gefaßt.
ALEXANDRA setzt sich wieder.
MARIAMNE.
Nun, Richter?
AARON zu den übrigen.
Wer von euch den Spruch des Königs
Nicht für gerecht hält, der erhebe sich!
Alle bleiben sitzen.
So habt ihr alle auf den Tod erkannt!
Er steht auf.
Du bist zum Tod verurteilt, Königin! –
Hast du noch was zu sagen?
MARIAMNE.
Wenn der Henker
Nicht zum voraus bestellt ist und auf mich
Schon wartet mit dem Beil, so mögte ich
Vorm Tode noch mit Titus ein Gespräch.
Zu Herodes.
Man pflegt den Sterbenden die letzte Bitte
Nicht abzuschlagen. Wenn du sie gewährst,
So sei mein Leben deinem zugelegt!
HERODES.
Der Henker ist noch nicht bestellt – ich kanns!
Und da du mir dafür die Ewigkeit
Als Lohn versprichst, so muß und will ich auch!
Zu Titus.
Ist dieses Weib nicht fürchterlich?
TITUS.
Sie steht
Vor einem Mann, wie keine stehen darf!
Drum endige!
SALOME tritt heran.
O tu es! Deine Mutter
Ist krank bis auf den Tod! Sie wird gesund,
Wenn sie das noch erlebt!
HERODES zu Alexandra.
Sprachst du nicht was?
ALEXANDRA.
Nein!
HERODES sieht Mariamne lange an.
MARIANNE bleibt stumm.
HERODES.
Stirb!
Zu Joab.
Ich legs in deine Hand!
Schnell ab. Ihm folgt Salome.[581]
ALEXANDRA ihm nachsehend.
Ich habe
Noch einen Pfeil für dich!
Zu Mariamne.
Du wolltests so!
MARIAMNE.
Ich danke dir!
ALEXANDRA ab.
AARON zu den übrigen Richtern.
Versuchen wir nicht noch,
Ihn zu erweichen? Mir ist dies entsetzlich!
Es ist die letzte Makkabäerin!
Wenn wir nur kurzen Aufschub erst erlangten!
Jetzt gings nicht an, daß wir ihm widerstrebten,
Bald wird er selbst ein andrer wieder sein.
Und möglich ists, daß er uns dann bestraft,
Weil wir ihm heut nicht Widerstand getan!
Ihm nach!
Ab.
JOAB nähert sich Mariamnen.
Vergibst du mir? Ich muß gehorchen!
MARIAMNE.
Tu, was dein Herr gebot, und tu es schnell!
Ich bin bereit, sobald du selbst es bist,
Und Königinnen, weiß du, warten nicht!
JOAB ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
|
Buchempfehlung
»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro