Die Partei

[121] An Ferdinand Freiligrath


Die ihr gehört – frei hab' ich sie verkündigt:

Ob jedem recht: – schiert ein Poet sich drum?

Seit Priams Tagen, weiß er, wird gesündigt

In Ilium und außer Ilium.

Er beugt sein Knie dem Helden Bonaparte,

Und hört mit Zürnen d'Enghiens Todesschrei:

Der Dichter steht auf einer höhern Warte

Als auf den Zinnen der Partei.

Ferdinand Freiligrath.

(S. dessen Gedicht

auf den Tod von Diego Leon.

»Morgenblatt« Nr. 286, Jahrg. 1841.)


Du drückst den Kranz auf eines Mannes Stirne,

Der wie ein Schächer jüngst sein Blut vergoß,

Indessen hier die königliche Dirne

Die Sündenhefe ihrer Lust genoß;

Ich will ihm den Zypressenkranz gewähren,

Düngt auch sein Blut die Saat der Tyrannei –

Für ihn den milden Regen deiner Zähren!

Doch gegen sie die Blitze der Partei!


Partei! Partei! Wer sollte sie nicht nehmen,

Die noch die Mutter aller Siege war!

Wie mag ein Dichter solch ein Wort verfemen,

Ein Wort, das alles Herrliche gebar?

Nur offen wie ein Mann: Für oder wider?

Und die Parole: Sklave oder frei?

Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder

Und kämpften auf der Zinne der Partei!


Sieh hin! dein Volk will neue Bahnen wandeln!

Nur des Signales harrt ein stattlich Heer;

Die Fürsten träumen, laßt die Dichter handeln!

Spielt Saul die Harfe, werfen wird den Speer!

Den Panzer um – geöffnet sind die Schranken,

Brecht immer euer Saitenspiel entzwei,

Und führt ein Fähnlein ewiger Gedanken

Zur starken, stolzen Fahne der Partei!


Das Gestern ist wie eine welke Blume –

Man legt sie wohl als Zeichen in ein Buch –

Begrabt's mit seiner Schmach und seinem Ruhme

Und webt nicht länger an dem Leichentuch![121]

Dem Leben gilt's ein Lebehoch zu singen,

Und nicht ein Lied im Dienst der Schmeichelei;

Der Menschheit gilt's ein Opfer darzubringen,

Der Menschheit, auf dem Altar der Partei!


O stellt sie ein die ungerechte Klage,

Wenn ihr die Angst so mancher Seele schaut;

Es ist das Bangen vor dem Hochzeitstage,

Das hoffnungsvolle Bangen einer Braut.

Schon drängen allerorten sich die Erben

Ans Krankenlager unsrer Zeit herbei;

Laßt, Dichter, laßt auch ihr den Kranken sterben,

Für eures Volkes Zukunft nehmt Partei!


Ihr müßt das Herz an eine Karte wagen,

Die Ruhe über Wolken ziemt euch nicht;

Ihr müßt euch mit in diesem Kampfe schlagen,

Ein Schwert in eurer Hand ist das Gedicht.

O wählt ein Banner, und ich bin zufrieden,

Ob's auch ein andres, denn das meine sei;

Ich hab' gewählt, ich habe mich entschieden,

Und meinen Lorbeer flechte die Partei!


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 121-122.
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