Siebente Scene.


[427] Bürger kommen von links, unter ihnen. Grüneberg, Geertz. Offiziere und Ordonnanzen gehen die Treppe zum Commandantenhause hinauf und eilig hinein.


ERSTER BÜRGER.

Wisst ihr von Danzig?

ZWEITER BÜRGER.

Danzig ist gefallen!

GRÜNEBERG.

Wenn's wahr ist! Viel Voreil'ges wird geschwatzt

ERSTER BÜRGER.

Der Schiffer Albrecht sagt es und beschwört's.

GEERTZ.

Ja ja, was schlimm ist, ist gewöhnlich wahr,

Nur mit dem Guten ist's ein blauer Dunst.

GRÜNEBERG.

Ein übler Casus. Weiß der Commandant?[427]

GEERTZ auf die Offiziere deutend.

Die werden's ihm wol melden.

GRÜNEBERG.

Hm! Und was

Sagt Nettelbeck?

GEERTZ.

Was ist noch viel zu sagen?

Wir sind caput.

GRÜNEBERG.

Ich will aufs Rathhaus.

GEERTZ.

Geht nur!

Doch guter Rath wird dort so theuer sein,

Wie hier.

GRÜNEBERG.

Ja leider!


Zu Heinrich, der eben von links wieder auftritt.


Wisst Ihr auch schon, Blank?

HEINRICH zerstreut.

Was?

GEERTZ.

Danzig hat capitulirt.

HEINRICH.

Was sagt Ihr?

GEERTZ.

Nun schnürt man hier in Colberg uns erst recht

Die Kehle zu. Wir sind verloren!

HEINRICH.

Nein,

Und aber nein; wir athmen wieder auf!

GRÜNEBERG.

Ihr seid ein seltsamer Politicus.


Andere Bürger von rechts und links.


DRITTER BÜRGER.

Danzig ist über![428]

VIERTER BÜRGER.

Colberg folgt ihm nach.

DRITTER BÜRGER.

Was sagt der Commandant?

HEINRICH.

Ja, fragt ihn nur,

Fragt den Soldaten, was dem Bürger frommt:

Die Antwort trägt er auf der Degenspitze,

Denn weiter freilich reicht sein Auge nicht.

Ich hab' euch längst gewarnt und ward verhöhnt,

Verkannt, verlästert. Jetzt erlebt ihr's selbst.

War Danzig nicht die festre Stadt, nicht dort

Stärkre Besatzung? Doch ergab es sich.

Nur unser schwaches Nest soll erst in Glut

Und Blut ersticken, eh wir klüger werden,

Weil einem lorbertollen Offizier

Die Stadt erst dienen kann zum Fußgestell

Für seinen Ruhm, wenn sie in Trümmern liegt.

GRÜNEBERG.

Hört, junger Mann –

GEERTZ.

Es soll uns Niemand hier

Den Commandanten schelten!

GRÜNEBERG zu Heinrich.

Sagt ihm das

Mal ins Gesicht!

HEINRICH.

Das wünscht' ich selbst. Denn mich,

Mich hat er nicht gekirrt mit großen Worten,

Wie Euch – und Euch.


Sich zu den Bürgern wendend.


Doch hier die Andern frag' ich:

Soll's dahin kommen? Seid ihr feige Knechte,

Die man dem Schlachtengötzen schlachten mag,

Nicht freie Männer, Manns genug, dem Tollen,

Der euch zum Abgrund schleift, ein »Halt!« zu rufen,

»Bis hieher und nicht weiter«? Ha, das Kreuz,

Das ihm sein Kriegsherr auf die Brust wird heften,[429]

Wenn er den Moloch der Soldatenehre

Gesättigt hat mit eurer Kinder Blut,

Entschädigt's euch für jenes Kreuz der Leiden,

Das er auf eure zahmen Schultern wälzt?

Ja wol, nun murrt ihr, ballt die Faust im Sack,

Und Alles bleibt beim Alten. Seid ihr Männer,

So wehrt euch, statt die Noth und Schmach zu dulden!

Dort wohnt der Mann –

GRÜNEBERG.

Ihr predigt Rebellion!

HEINRICH.

Ich pred'ge Nothwehr gegen die Gewalt.


Rose tritt aus dem Hause, bleibt oben auf der Rampe stehen.


Wer geht mit mir, ein freies Manneswort

Vor Dessen Ohr zu bringen, der gewohnt ist,

Nur stumme Schergen in den Tod zu schicken?

ERSTER BÜRGER.

Wenn Ihr der Sprecher sein wollt –

ZWEITER BÜRGER.

Ja, Herr Blank,

Stellt Ihr's ihm vor. Der baare Selbstmord wär's,

Noch fortzukämpfen.

DRITTER BÜRGER.

Hören muß er uns;

Das kann er uns nicht wehren.

VIERTER BÜRGER.

Ja, er muß

Ein Ende machen. Kommt! Zum Commandanten!

HEINRICH.

In Gottes Namen, folgt mir!


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1872–1910, S. 427-430.
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