Vorfrühling

Es läuft der Frühlingswind

Durch kahle Alleen,

Seltsame Dinge sind

In seinem Wehn.


Er hat sich gewiegt,

Wo Weinen war,

Und hat sich geschmiegt

In zerrüttetes Haar.


Er schüttelte nieder

Akazienblüten

Und kühlte die Glieder,

Die atmend glühten.


Lippen im Lachen

Hat er berührt,

Die weichen und wachen

Fluren durchspürt.


Er glitt durch die Flöte

Als schluchzender Schrei,

An dämmernder Röte

Flog er vorbei.


Er flog mit Schweigen

Durch flüsternde Zimmer

Und löschte im Neigen

Der Ampel Schimmer.


Es läuft der Frühlingswind

Durch kahle Alleen,

Seltsame Dinge sind

In seinem Wehn.
[3]

Durch die glatten

Kahlen Alleen

Treibt sein Wehn

Blasse Schatten.


Und den Duft,

Den er gebracht,

Von wo er gekommen

Seit gestern Nacht.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke. Erste Reihe in drei Bänden, Band 1, Berlin 1924, S. 3-4.
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