Dritte Ballade

[74] So lebeten auf ihrer Burg,

Wie wir erzählt, die beiden,

Den May, den Junius hindurch,

In Herrlichkeit und Freuden:

Und schwammen hier in Ueppigkeit

Bis über beide Ohren,

Doch endlich floh die Trunkenheit,

Worinn er sich verloren.
[74]

Er hatte sich mit Zuckerbrodt

Den Magen überladen,

Ward bleich und hager, wie der Tod,

Es schwanden seine Waden;

Sein Auge, wie Vergißmeinnicht,

Erlosch und wurde dunkel,

Er trug im kupfrigen Gesicht

Rubinen und Karfunkel.


Die Küße, Weine, das Konfekt,

Die Zuckerbißen alle,

Wornach er sonst den Mund geleckt,

Verkehrten sich in Galle.

Der Vögel buhlrisches Koncert,

Das er, in Lust verloren,

Mit solcher Wonne jüngst gehört,

Mißklang itzt seinen Ohren.


Nun floh er, mehr als Tod und Grab,

Den Palast und Ismenen,

Schlich am Gestade auf und ab,

Und weinte große Thränen.

O liebe, liebe Adelheit!

So rief er sonder Ende,

Der ich mein treues Herz geweiht,

Und rang die welken Hände:


Wie magst du, gute Seele! wohl

Leanders Angedenken,

Mit lautem Schluchzen, einen Zoll

Getreuer Zähren schenken![75]

O könnt' ich dir den Thränenguß,

Dem Kerker hier entrißen,

Durch einen warmen treuen Kuß,

Von deiner Wange küßen!


O welch ein Unstern! wehe mir!

Das Mastvieh war geschlachtet,

Der Pfarrer hatte sein Gebühr,

Wornach er lang geschmachtet.

Wir waren schon, ich armer Mann!

Vom Pfarrer aufgeboten,

Und dachten wahrlich nicht daran,

Was uns für Wetter drohten.


Schon gieng, mit manchem bunten Band

Am Hut, der Hochzeitbitter

Im Dorf herum, der Musikant

Probierte schon die Zitter.

Die Speisen, die wir angeschafft,

Sind nun schon längst verdorben;

Mein Liebchen ist wohl, hingerafft

Von Schwermuth, gar gestorben.


Den guten Göttern mußte dies

Nun wohl zu Herzen gehen,

Drum flog ein Schiff heran und ließ

Die Flagge stattlich wehen.

Der Schiffspatron nahm ihn an Bord,

Und bracht' in wenig Stunden

Ihn wohlbehalten an den Ort,

Wo ihn Ismene funden.
[76]

Madam stand unbeweglich da,

Als, fern am Horizonte,

Sie die geschwollnen Seegel sah,

Und es nicht wehren konnte.

Zerriß die Haare, weinte sich

Die Wangen bleich und hager,

Und wand die Hände jämmerlich

Auf dem verwaisten Lager.


Sie ritt mit thränendem Gesicht,

Auf ihrem Besenstiele,

Viel Länder durch, und fand ihn nicht,

Und ritt sich manche Schwiele:

Und ward, wie männiglich bekannt,

Nach vielen Abendtheuern,

Zuletzt elendiglich verbrannt,

In Würzburg oder Bayern.[77]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 74-78.
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