[375] Abend war's, ich stand am Ufer,
Wo die Wellen freudig rauschten
Und, vom Süden her gewaltig
Hergeeilt, am Strand erschäumten.
Violett war ihr Gewand,
Doch sie trugen rote Kronen,
Die von Haupt zu Haupt sie warfen,
Klangvoll ineinanderfließend.
Durch der Wolken wildes Jagen,
Einsam, sah der Abendstern,
Glänzend, wie der Schönheit Auge,
Groß erglühend, wie die Sehnsucht.
Und ich sagte zu den Wellen:
»Noch so laut und fleißig seid ihr?
Doch ich seh nicht, was ihr schaffet,
Denn kein Segel ist zu finden,
Weil es Nacht wird und die müde
Sorgenvolle Woche hingeht!«
Und sie riefen laut erbrausend:
»Feierabend ist's, wir tanzen
Eben noch für uns ein Tänzchen!
Wie der Hirt den Schnitterinnen
Abendlich den Reigen bläset,
Also spielt der wilde Bruder
Uns, der heiße Föhn, zum Tanze,
Und er darf uns alle küssen!
In der Freiheit, in der Freude
Schlagen wir für uns ein Stündchen!
Wollt ein Schiff uns jetzt befahren,
Müßt es untergehn und brechen!
[376]
Und wir raten dir nicht minder:
Freiheit gib auch du den Wellen
Deines Blutes einmal wieder,
Laß das Schifflein untergehen
Mit dem schweren goldnen Bilde,
Mit der ungeschlachten Schiff'rin,
Die dein wogend Herz befährt
Schon so lang und es bedrückt!
Laß die Furcht und laß die Hoffnung
In empörter Flut versinken
Und erfreue dich der Freiheit!«
Ach! die allzutreuen Wellen
Meines unterjochten Blutes
Wollen es nicht sinken lassen;
Immer taucht empor es wieder,
Triumphierend fährt's empor,
Schiff und Bild, ach, Schiff und Götzin!
Einzig hilft, es rasch entheben
Und es in der Luft erwürgen!
Also tat ich in der Nacht,
Still in einer Frühlingsnacht.
Einen schwachen Seufzer hört ich,
Deutlich, wie aus weiter Ferne;
Denn von den Betörten endlich
Auch einmal vergessen werden
Tut den Vielgeliebten weh,
Und sie fühlen's in der Ferne.
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