Fünfter Auftritt

[249] Die zweite Magd tritt auf. Die Vorigen.


ZWEITE MAGD.

Gruß von Frau Küsterin, Herr Richter Adam;

So gern sie die Perück Euch auch –

ADAM.

Wie? Nicht?

ZWEITE MAGD.

Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute;

Der Küster hätte selbst die eine auf,

Und seine andre wäre unbrauchbar,

Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.

ADAM.

Verflucht!

ZWEITE MAGD.

Sobald der Küster wiederkömmt,

Wird sie jedoch sogleich Euch seine schicken.

ADAM.

Auf meine Ehre, gnäd'ger Herr –

WALTER.

Was gibt's?

ADAM.

Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide[249]

Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir

Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:

Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten.

WALTER.

Kahlköpfig!

ADAM.

Ja, beim ewigen Gott! So sehr

Ich ohne der Perücke Beistand um

Mein Richteransehn auch verlegen bin.

– Ich müßt es auf dem Vorwerk noch versuchen,

Ob mir vielleicht der Pächter –?

WALTER.

Auf dem Vorwerk!

Kann jemand anders hier im Orte nicht –?

ADAM.

Nein, in der Tat –

WALTER.

Der Prediger vielleicht.

ADAM.

Der Prediger? Der –

WALTER.

Oder Schulmeister.

ADAM.

Seit der Sackzehnde abgeschafft, Euer Gnaden,

Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,

Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.

WALTER.

Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag?

Denkt Ihr zu warten, bis die Haar Euch wachsen?

ADAM.

Ja, wenn Ihr mir erlaubt, schick ich aufs Vorwerk.

WALTER.

– Wie weit ist's auf das Vorwerk?

ADAM.

Ei! Ein kleines

Halbstündchen.

WALTER.

Eine halbe Stunde, was!

Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits.

Macht fort! Ich muß noch heut nach Hussahe.

ADAM.

Macht fort! Ja –

WALTER.

Ei, so pudert Euch den Kopf ein!

Wo Teufel auch, wo ließt Ihr die Perücken?

– Helft Euch so gut Ihr könnt. Ich habe Eile.

ADAM.

Auch das.

DER BÜTTEL tritt auf.

Hier ist der Büttel!

ADAM.

Kann ich inzwischen

Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig,

Ein Gläschen Danziger etwa –[250]

WALTER.

Danke sehr.

ADAM.

Ohn Umständ!

WALTER.

Dank', Ihr hört's, hab's schon genossen.

Geht Ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie

In meinem Büchlein etwas mir zu merken.

ADAM.

Nun, wenn Ihr so befehlt – Komm, Margarete!

WALTER.

– Ihr seid ja bös verletzt, Herr Richter Adam.

Seid Ihr gefallen?

ADAM.

– Hab einen wahren Mordschlag

Heut früh, als ich dem Bett entstieg, getan:

Seht, gnäd'ger Herr Gerichtsrat, einen Schlag

Ins Zimmer hin, ich glaubt es wär ins Grab.

WALTER.

Das tut mir leid. – Es wird doch weiter nicht

Von Folgen sein?

ADAM.

Ich denke nicht. Und auch

In meiner Pflicht soll's weiter mich nicht stören. –

Erlaubt!

WALTER.

Geht, geht!

ADAM zum Büttel.

Die Kläger rufst du – Marsch!


Adam, die Magd und der Büttel ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 249-251.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug: Ein Lustspiel. Textausgabe mit Materialien
Der zerbrochene Krug. Ein Lustspiel.
Klassische Schullektüre, Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug

Buchempfehlung

Jean Paul

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch

Als »Komischer Anhang« 1801 seinem Roman »Titan« beigegeben, beschreibt Jean Paul die vierzehn Fahrten seines Luftschiffers Giannozzos, die er mit folgenden Worten einleitet: »Trefft ihr einen Schwarzkopf in grünem Mantel einmal auf der Erde, und zwar so, daß er den Hals gebrochen: so tragt ihn in eure Kirchenbücher unter dem Namen Giannozzo ein; und gebt dieses Luft-Schiffs-Journal von ihm unter dem Titel ›Almanach für Matrosen, wie sie sein sollten‹ heraus.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon