Die Königin Luise

[105] Da Sie, ihr Name wird im Himmel nur genennet!

Ihr sanftes Aug' im Tode schloss,

Und, von dem Thron', empor zum höhern Throne,

In Siegsgewande trat,


Da weinten wir! Auch der, der sonst nicht Thränen Lannte,

Ward blass, erbebt' und weinte laut!

Wer mehr empfand, blieb unbeweglich stehen,

Verstumt', und weint' erst spät.


So steht mit starrem Blick, der Marmor auf dem Grabe;

So schautest du ihr, Friedrich, nach!

Ihr Engel sah, als er zu Gott sie führte,

Nach deinen Thränen hin.


O, Schmerz! stark, wie der Tod! Wir sollten zwar nicht weinen,

Weil sie so gross und edel starb!

Doch weinen wir. Ach, so geliebt zu werden,

Wie heilig ist diess Glück!
[106]

Der König stand, und sah, sah die Entschlafne liegen,

Und neben ihr den todten Sohn.

Auch er! auch er! o Gott! o unser Richter!

Ein Friedrich starb in ihm!


Wir beten weinend an. Weil nun nicht mehr ihr Leben

Uns lehrt; so lehr uns denn ihr Tod!

O himlische, bewundernswerthe Stunde,

Da sie entschlummerte!


Dich soll der Enkel noch, du Todesstunde, feyren!

Sie sey ein Fest um Mitternacht!

Voll heiliger tiefeingehüllter Schauer,

Ein Fest der Weinenden!


Nicht diese Stunde nur, sie starb viel lange Tage!

Und jeder war des Todes werth,

Des lehrenden des ehrenvollen Todes,

Den sie gestorben ist.


Die ernste Stunde kam, in Nebel eingehüllet,

Den sie bey Gräbern bildete.

Die Königin, nur sie, vernimt den Fusstritt

Der kommenden, nur sie
[107]

Hört, durch die Nacht herauf, der dunkeln Flügel Rauschen,

Den Todeston! da lächelt sie.

Sey ewig, mein Gesang, weil du es singest,

Dass sie gelächelt hat!


Und nun sind Throne nichts, nichts mehr der Erde Grössen,

Und alles, was nicht ewig ist!

Zwo Thränen noch! die eine für den König;

Für ihre Kinder die,


Und für die liebende, so sehr geliebte Mutter:

Und dann wird Gott allein geliebt!

Die Erde sinkt, wird ihr zum leichten Staube;

Und, nun entschlummert sie.


Da liegt im Tode sie, und schön des Seraphs Auge,

Der sie zum Unerschaffnen führt.

Indem erblasst' die Wang', und sinkt; es trocknen

Die letzten Thränen auf!


Schön sind, und ehrenvoll des Patrioten Wunden!

Mit höhrer Schöne schmückt der Tod

Den Christen! ihn die letzte Ruh, der sanften

Gebrochnen Augen Schlaf!
[108]

Nur wenige verstehn, was dem für Ehren bleiben,

Der liegt, und überwunden hat,

Dem ewigen, dem gottgeweihten Menschen,

Der auferstehen soll!


Fleug, mein Gesang, den Flug unsterblicher Gesänge,

Und singe nicht vom Staube mehr!

Zwar heilig ist ihr Staub; doch sein Bewohner

Ist heiliger, als er!


Die hohe Seele stand vor Gott. Ihr grosser Führer,

Des Landes Schutzgeist, stand bey ihr.

Dort strahlt' es auch, um sie, au ihrer Seite,

Wo Karolina stand.


Die grosse Tochter sah vom neuen Thron herunter,

Sah bey den Königen ihr Grab;

Der Leiche Zug. Da sah sie auf den Seraph;

So sprach die glückliche:


Mein Führer, der du mich zu dieser Wonne führtest,

Die fern von dort, und ewig ist!

Kehrst du zurück, wo wir, zum Tod', itzt werden,

Dann bald unsterblich sind:
[109]

Kehrst du dorthin zurück, wo du des Landes Schicksal,

Und meines Königs Schicksal, lenkst;

So folg' ich dir. Ich will sanft um dich schweben,

Mit dir, sein Schutzgeist seyn!


Wenn du unsichtbar dich den Einsamkeiten nahest,

Wo er um meinen Tod noch klagt;

So tröst' ich seinen Schmerz mit dir! so lispl' ich

Ihm auch Gedanken zu!


Mein König, wenn du fühlst, dass sich sein sanftres Leben,

Und Ruh durch deine Seele giesst;

So war ichs auch, die dir, in deine Seele,

Der Himmel Frieden goss!


O möchten diese Hand, und diese hellen Locken,

Dir sichtbar seyn; ich trocknete,

Mit dieser Hand, mit diesen goldnen Locken,

Die Thränen, die du weinst!


O, weine nicht! Es ist, in diesem höhern Leben,

Für sanfte Menschlichkeit viel Lohn,

Viel grosser Lohn! und Kronen bey dem Ziele,

Das ich so früh ergrif!
[110]

Du eilst mit hohem Blick, doch länger ist die Laufbahn!

Mein König, diesem Ziele zu;

Die Menschlichkeit, diess grösste Lob der Erde!

Ihr Glück, ihr Lob ist dein.


Ich schwebe jeden Tag, den du, durch sie, verewigst,

Dein ganzes Leben, um dich her!

Auch diess ist Lohn des früherrungnen Zieles,

Zu sehen, was du thust.


Ein solcher Tag ist mehr, als viele lange Leben,

Die sonst ein Sterblicher verlebt!

Wer edel herscht, hat doch, stürb' er auch früher,

Jahrhunderte gelebt!


Ich schreibe jede That, hier wurd ihr Antlitz heller,

Und himlischlächelnd stand sie auf,

Ins grosse Buch, aus dem einst Engel richten;

Und nenne sie vor Gott!


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 105-111.
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