Für den König

[137] Psalter, singe dem Herrn! geuss Silbertöne,

Laute Jubel herab! und ruf zur Stimme

Deiner Feyer Gedanken,

Welche Jehova, den Schöpfer, erhöhn!


Du bist herlich und mild! Du gabst, du Geber!

Uns, dem glücklichen Volk, in deinen Gnaden

Einen weisen Beherscher,

Dass er die Ehre der Menschlichkeit sey!


Preis und Jubel und Dank dem grossen Geber!

Heil dem Könige! Heil dem Gottgegebnen!

Segn' ihn, wenn du herabschaust,

Schau unverwandt, o Jehova, herab!
[138]

Schau herunter, und gieb ihm langes Leben,

Sanftes Leben, du Gott der Menschenfreunde!

Giebs dem Theuren, dem Guten,

Ihm, der die Wonne der Menschlichkeit ist!


Den wir lieben! er ist, er ist der Jubel

Unsrer Seele! dir rinnt die Freudenthräne!

Heil dir! Weh dem Erobrer,

Welcher im Blute der Sterbenden geht,


Wenn die Rosse der Schlacht gezähmter wüten,

Als der schäumende Held nach Lorbern wiehert!

Stirb! so tief sie auch wuchsen,

Fand sie des Donnerers Auge doch auf!


Flüche folgen ihm nach! Ein lauter Segen

Jauchzt dem edleren zu, der dieses Nachruhms

Schwarze Freuden verabscheut,

Sich zu der bessern Unsterblichkeit schwingt!


Dann bald höher empor zum Gipfel aufsteigt,

Spricht zum Ruhme: Du kenst die Aussenthat nur!

Edel handelt! zum Lohne

Selbst nicht das Lächeln des Weisen begehrt!
[139]

Reines Herzens, das seyn! es ist die letzte,

Steilste Höhe vom dem, was Weis' ersannen,

Weisre thaten! Der Zuruf

Selber des Engels belohnet nicht ganz


Einen König, der Gott sein Herz geweiht hat!

Kaum vom Tage bestrahlt, lalt's Kind von ihm schon!

Und, entglimmender Sonnen

Seher, erlöschender nent ihn vor Gott!


Einen Christen, ich sah den Weisen sterben,

Einen Christen, zur Zeit der neuen Heiden!

Liebend wandt‘ er sein Auge

Gegen den Enkel, und lächelte so:


Erst sey dieses mein Dank, der ewig daure,

Dass mein Schöpfer mich schuf, und nun mich wegwinkt,

Von der Schwelle des Lebens,

An dem unsterblichen Leben empor!


Und dann bet‘ ich ihn an, dass diess mein Auge

Noch den Menschenfreund sah, den uns sein Gott gab!

Gott, Gott segne, ja segn‘ ihn!

Wende dich nicht, ach und weine nicht, Sohn!
[140]

Gott, Gott segn' ihn! Hier wird der Tod mir bitter,

Hier nur! Denn nun erblickt mein todtes Auge

Meinen König, den besten,

Ach den geliebtesten König, nicht mehr!


Du, mein glücklicher Sohn, du wirst ihn lange,

Lange wirst du ihn sehn, noch, wenn das Alter

Ihn, mit silbernen Haaren,

Und mit der Wonne des Lebens bedeckt,


Ach der Wonne, vor Gott gelebt zu haben!

Gute Thaten um sich, in vollen Schaaren,

Zu erblicken! Sie folgen,

Jüngling, ihm nach in das ernste Gericht!


Vieles sah ich. Ich weiss, was gross und schön ist

In dem Leben! Allein das ist das höchste,

Was des Sterblichen Auge

Sehn kann: Ein König, der Glückliche macht!


Sey du würdig, von ihm gekannt zu werden,

Lern bescheidnes Verdienst; er wird dich kennen.

Nun ... Gott segne, ja segn‘ ihn!

Segne der Könige Besten! Er starb.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 137-141.
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