Dritter Auftritt.

[12] Arnold. Caroline.


ARNOLD. Fliehe sie doch nicht vor mir, Jungfer Caroline; ich muß doch sehr abscheulich seyn, daß sie meine Gegenwart allezeit so ängstlich vermeidet.

CAROLINE. Es ist gut, daß mich ihr Gewissen der Mühe überhebt, ihnen meine Meinung zu sagen. Sie will gehen.

ARNOLD. Höre sie mich wenigstens nur einen Augenblick an, ich habe ihr ein wichtiges Geheimniß zu entdecken, welches die Glückseligkeit ihres ganzen Lebens betrift.

CAROLINE. Was für geheime Nachrichten gönnten sie wohl von meiner Glückseligkeit haben? lassen sie doch hören.

ARNOLD. Fürs erste verbindet mich mein Gewissen sie vor dem Herrmann zu warnen. Es ist keine schädlichere Hindernis ihrer Seligkeit als sein Umgang. Der Mensch hegt so viel unchristliche Meinungen, und hat so wenig Religion,[12] und ihre junge Seele ist noch lange nicht gesetzt genug seiner Verführung zu widerstehen – – –

CAROLINE. Ohne meine junge Seele erst zu vertheidigen, muß ich sie doch fragen, was denn das für unchristliche Meinungen sind, welche Herrmann hegt, und wodurch sie beweisen wollen, daß er ein Mensch ist, der keine Religion hat?

ARNOLD. Ach! sie glaubt nicht, wie gut ich es mit ihm meine und wie aufrichtig ich ihn liebe. Die Freundschaft, die ich für ihn habe – – –

CAROLINE. Macht, daß sie ihn für einen Menschen ohne Religion ausschreyen?

ARNOLD. Ach nein! sondern daß ich sein verruchtes Herz und die Irrwege beweine, auf welchen er gerathen ist; bedenke sie einmal, der Bösewicht Er weinet. hielt sich gestern über mein Morgenlied, welches mein Leibgesang ist, auf, und sagte, es sey nicht ein einziger vernünftiger Gedanke darinn.

CAROLINE. Weil es ihr Leibgesang gewesen ist, so verlaß ich mich nun so viel mehr auf Herrmanns Urtheil; aber beweiset denn dies – – –

ARNOLD. Hören sie nur weiter; er war so verwegen zu behaupten, die Gesangbücher wären nicht Gottes Wort; ja, da ich ihn dieser Freyheit wegen dem Teufel übergab, der aus ihm redte, fing er überlaut an zu lachen, und gab mir zur Antwort, vor meinem Teufel fürchte er sich nicht. Bedenke sie nun, ob sie sich nicht vor einem Menschen hüten müsse, und ob es nicht[13] gefährlich sey einen Ungläubigen zu heyrathen, der so verwegen ist den Teufel auszulachen.

CAROLINE. Sind das die Geheimnisse alle, welche sie mir zu meinen Besten zu entdecken hatten?

ARNOLD. Nein, das wichtigste und zugleich das vorteilhafteste für sie ist dieses, ob ich gleich niemals mein Christentum so weit vergessen, und meinen Begierden so viel Herrschaft über mich einräumen werde, daß ich ein Frauenzimmer lieben sollte, so muß ich ihr doch gestehen daß ich einen Beruf seit einiger Zeit bey mir empfinde, sie zu heyrathen.

CAROLINE. Ich kan es nicht läugnen, sie setzen mich in Erstaunen, sie wollen mich heyrathen, ohne mich zu lieben?

ARNOLD. Freylich, denn die Liebe gehört nur für den unwiedergebohrnen Menschen; weil ich aber weiß, daß ein Frauenzimmer gern geliebt seyn mag, so will ich ihr nur entdecken, daß der Graf sie an meiner Stelle lieben will, und wenn sie seine Liebe günstig aufnimmt, so will mich ihr der Graf zum Manne geben, und mich mit der einträglichen Pfarre versorgen, welche auf einem von des Grafen Gütern vacant ist. Sie versteht mich doch wohl?

CAROLINE. O ja; ich weiß mich aber noch nicht zu entschliessen, ob ich über ihren Antrag lachen, oder böse werden soll.

ARNOLD. Ich weiß zwar wohl, daß sie bißher immer gegen die Liebkosungen des Grafen[14] widerspenstig gewesen ist. Allein ich habe diesen Widerstand mehr ihrer Klugheit und Behutsamkeit zugeschrieben, als ihrer Tugend, weil ich weiß, daß ein unwiedergebohrnes Frauenzimmer den Versuchungen so nicht widerstehen kan, als sie gethan hat. Ich merke wohl daß sie befürchtet hat durch den Umgang mit dem Grafen einen Schandfleck zu bekommen, der ihnen das Glück auf Zeit Lebens rauben könnte einen Mann zu erhalten. Dieser Furcht sind sie nun gänzlich durch mein Anerbieten überhoben. Ueberlassen sie sich nur ganz dreiste den Liebkosungen des Grafs, es mag auch daraus entstehen, was nur immer will, so schwör ich ihnen auf meinen Knien, keine andre zu heyrathen als sie.

CAROLINE. So sehr auch dieser verwegene Antrag meine Ehre beleidigen könnte, so fällt doch aller Schimpf davon auf ihn selbst zurück. Betrüger, er ist nicht einmal wehrt, daß ich ihm die Verachtung und den Abscheu zu erkennen gebe, welchen mein Herz für ihn heget. Sie will gehen.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Candidaten, oder: Die Mittel zu einem Amte zu gelangen. [Braunschweig und Hamburg, 1748], S. 12-15.
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