Schwertlied
Wenig Stunden vor dem Tode des Verfassers, am 26. August 1813, gedichtet.

[112] Du Schwert an meiner Linken,

Was soll dein heit'res Blinken?

Schaust mich so freundlich an,

Hab' meine Freude dran.

Hurra!


»Mich trägt ein wack'rer Reiter,

Drum blink' ich auch so heiter,

Bin freien Mannes Wehr;

Das freut dem Schwerte sehr.«

Hurra!


Ja, gutes Schwert, frei bin ich

Und liebe dich herzinnig,

Als wärst du mir getraut

Als eine liebe Braut!

Hurra!
[112]

»Dir hab' ich's ja ergeben,

Mein lichtes Eisenleben –

Ach, wären wir getraut!

Wann holst du deine Braut?«

Hurra!


Zur Brautnachts-Morgenröte

Ruft festlich die Trompete;

Wenn die Kanonen schrei'n,

Hol' ich das Liebchen ein.

Hurra!


»O seliges Umfangen!

Ich harre mit Verlangen.

Du Bräut'gam, hole mich!

Mein Kränzchen bleibt für dich.«

Hurra!


Was klirrst du in der Scheide,

Du helle Eisenfreude,

So wild, so schlachtenfroh?

Mein Schwert, was klirrst du so?

Hurra!


»Wohl klirr' ich in der Scheide,

Ich sehne mich zum Streite,

Recht wild und schlachtenfroh.

Drum, Reiter, klirr' ich so.«

Hurra!


Bleib' doch im engen Stübchen!

Was willst du hier, mein Liebchen?

Bleib' still im Kämmerlein,

Bleib', bald hol' ich dich ein!

Hurra!


»Laß mich nicht lange warten!

O schöner Liebesgarten,

Voll Röslein blutigrot

Und aufgeblühtem Tod.«

Hurra!
[113]

So komm denn aus der Scheide,

Du Reiters Augenweide,

Heraus, mein Schwert, heraus!

Führ' dich ins Vaterhaus.

Hurra!


»Ach, herrlich ist's im Freien,

Im rüst'gen Hochzeitreihen.

Wie glänzt im Sonnenstrahl

So bräutlich hell der Stahl!«

Hurra!


Wohlauf, ihr kecken Streiter,

Wohlauf, ihr deutschen Reiter!

Wird euch das Herz nicht warm?

Nehmt's Liebchen in den Arm!

Hurra!


Erst that es an der Linken

Nur ganz verstohlen blinken;

Doch an die Rechte traut

Gott sichtbarlich die Braut.

Hurra!


Drum drückt den liebeheißen

Bräutlichen Mund von Eisen

An eure Lippen fest!

Fluch, wer die Braut verläßt!

Hurra!


Nun laßt das Liebchen singen,

Daß helle Funken springen!

Der Hochzeitsmorgen graut.

Hurra, du Eisenbraut!

Hurra![114]


Quelle:
Theodor Körner: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1893, S. 112-115.
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