2. Auftritt.

[22] Vorige. Zriny.


ZRINY.

Zur guten Stunde sucht' ich meine Lieben;

Die Tochter find' ich an der Mutter Brust,

Und tiefe Rührung leuchten eure Blicke.

O, schließt auch mich mit ein in eure Arme!

Das Herz ist weich, und ungewohnt drängt sich

Der Freudentau in diese Männeraugen.

Mein Weib! – Helene!

HELENE.

Vater!

EVA.

Teurer Mann!

So mild hab' ich dich lange nicht gesehn.

Was ist dir, Zriny? Du bist tief ergriffen,

Wie leise Ahnung dämmern deine Blicke –

Was ist dir, Zriny?

ZRINY.

Laß mich, gutes Weib!

Glaub' mir, mir ist so wohl in euern Armen,

Und tausend Bilder stehen blühend auf

Und treten freundlich vor die frohe Seele,

Daß ich der Rührung nicht gebieten kann! –

O Menschen! Menschen! faßt das Leben schnell,

Laßt keiner Stunde Zeigerschlag vorüber,

Wo ihr nicht sagt: der Augenblick war mein,

Ich habe seine Freuden ausgekostet,

Kein Tröpfchen Balsam ließ ich in dem Kelch.

Die Zeit ist schnell, noch schneller ist das Schicksal:

Wer feig des einen Tages Glück versäumt,

Er holt's nicht ein, und wenn ihn Blitze trügen!

HELENE.

Noch keine Nachricht?

ZRINY.

Keine, gutes Mädchen!

Auch wär's kaum möglich. Sei nur ruhig, Kind!

EVA.

Ist sonst dir andre Botschaft zugekommen? –

Verhehl' mir nichts, das Gute wie das Schlimme.

Mir ahnet, Zriny, eine schwere Zeit;[22]

Gewöhne mich auch an des Unglücks Stimme,

Daß nicht unvorbereitet das Geschick

Dem schwachen Weib das Gräßliche bereite.

ZRINY.

Noch sorge nicht! Ließ' ich dich sonst in Sigeth?

Vertraut' ich sonst, tollkühn verwegnen Muts,

Mein höchstes Glück dem Wechselspiel des Schicksals?

Eilboten sandt' ich nach des Kaisers Hof,

Ihm die Gefahr des Ungarlands zu melden;

Denn ernstlich wird's. Schon schlug der Hamsa Beg,

Trotz Wogensturm, zum viertenmal die Brücke;

Dreimal hatte die Drau sie umgestürzt;

Mit jeder Stunde harrte man des Kaisers.

Mehmed Sokolowitsch mit sechzigtausend Mann,

Der Pascha Mustafa und Karem Beg

Sind kampfgerüstet ihm vorangegangen

Und bahnen ihm den blutbefleckten Weg.

Wenn unsre Helden sich nicht wacker eilen,

So finden sie den Großherrn schon vor Sigeth.


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 22-23.
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