Fünfte Szene.


[214] Struensee allein.


STRUENSEE. Meine Gedanken taumeln! Ist es möglich? Mit einem Schlage der stolze Bau meines ganzen Lebens zertrümmert! Sie gibt mich auf! Sie treibt mich selbst hinaus in die Nichtigkeit! – Heiliger Gott! So ist denn alles hohl, was ich im Herzen genährt, worauf ich gehofft, worin ich geschwelgt habe! Auch dieses Weibes Herz gehört der alltäglichen, der eigennützigen Sorge! Dies Herz, für welches ich zur Schwäche entschlossen war, für welches ich entschlossen war, meine heiligsten Grundsätze zu opfern und die Menschen niederschießen zu lassen wie eine rechtlose Herde – heiliger Gott, alles ist hohl, alles ist nichtig, wofür ich gelebt! Die Landsleute vergessen unser Deutschland über persönlichem Neide, die Freunde vergessen der Freundschaft über dem Ehrgeize. Niemand, niemand ist uneigennützig, ein ganzes Volk ist undankbar, und eines Staates[214] Fehler sind nur in Jahrhunderten, eines Volkes Gebrechen sind niemals zu heilen! Wofür hab' ich gelebt, gewirkt und getrachtet? Für einen Traum meines Geistes, für ein Irrlicht meines Herzens! Heiliger Gott, auch dies Herz schlägt in Lüge, auch sie, auch sie, auch Mathilde denkt nur auf gemeine Sicherheit – ja gemein ist der Mensch, und gemein ist unser Sinn, wie stattlich wir ihn putzen! Er verhüllt sich das Antlitz – leise. Wie ein wildes Heer tobt mir's durch Hirn und Adern; ist es Tod, ist es Wahnsinn, der über mich hereinbricht? Ich sehe nichts, ich denke nichts mehr als die Worte: Alles ist eitel! – Fassung! Fassung! Schreiend. Heiliger Gott! Ich komme von Sinnen, und meine Glieder bewegen sich ohne meinen Willen! Er wendet sich und geht langsam nach hinten.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 214-215.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Struensee
Struensee: Trauerspiel in fünf Akten
Struensee
Struensee
Struensee
Struensee