4. Auftritt

[36] Vorige. Josephine. Gröber.

Josephine links vorn, Gröber von rechts hinten, begegnen sich in der Mitte der Bühne.


JOSEPHINE. Nun, lieber Major, wollen Sie mir nicht weiter erzählen?[36]

GRÖBER sich wütend herumdrehend. Donnerwetter, da ist ja die verrückte Schraube schon wieder! Mit großen Schritten ab in den zweiten Salon hinten.

JOSEPHINE. So ein Brummbär!

SCHÖLLER. Darf ich mir erlauben, die Herrschaften vorzustellen? Herr Klapproth senior und junior, Herr Maler Kißling – Fräulein Josephine Krüger.

JOSEPHINE. Schriftstellerin! Bekannter bin ich freilich unter meinem Künstlernamen Dorette Eckert. Zu Klapproth. Haben Sie vielleicht meinen Roman »Ein verkanntes Frauenherz« gelesen?

KLAPPROTH. Ich? Verkanntes Frauenherz? Kopfschüttelnd, sich aber rasch besinnend. Ja doch! Natürlich! Beiseite. Solchen Menschenkindern darf man nie widersprechen, das ist die Hauptsache.

SCHÖLLER der mit Alfred und Kißling im Hintergrunde stand. Kommen Sie, meine Herren, dem Herrn Klapproth ist doch für die nächste halbe Stunde nicht zu helfen, wir fallen höchstens Fräulein Krüger ebenfalls zum Opfer. Gehen hinten in den zweiten Salon.

KLAPPROTH für sich. Warum sie mich nur so anstarrt. Ich habe doch nichts Auffallendes an mir? Mustert sich verstohlen.

JOSEPHINE. Verzeihen Sie, daß ich Sie so prüfend betrachte, aber Sie haben einen so ausdrucksvollen Kopf.

KLAPPROTH beiseite. Das hat mir noch niemand gesagt. Laut. O, mein Fräulein –[37]

JOSEPHINE. Ihnen sieht man es auf den ersten Blick an, daß Sie viel erlebt, viel gekämpft und erlitten haben. Hab' ich recht?

KLAPPROTH nickt, beiseite. Na so was! Laut. Ach ja, mein Leben ist ein wahrer Roman!

JOSEPHINE. Ach, das müssen Sie mir erzählen. Bitte, bitte! Zieht ihr Notizbuch hervor.

KLAPPROTH beiseite. Na, du sollst was zu hören kriegen.

JOSEPHINE. Sie erlauben doch, daß ich mir Notizen mache?

KLAPPROTH. O bitte!

JOSEPHINE. Was sind Sie eigentlich für ein Landsmann?

KLAPPROTH dem man es während der ganzen Szene ansieht, welches Vergnügen es ihm macht, ihr etwas vorzuschwindeln. Portugiese!

JOSEPHINE erstaunt. Ah! Beiseite. Einen Portugiesen hatte ich noch nicht!

KLAPPROTH. Ja, mir sieht es niemand an, daß ich in Portugisien – in Portugal geboren bin. Wie das aber kommt, weiß ich selbst nicht, denn über meiner Geburt schwebte ein gewisses mysteriöses Dunkel.

JOSEPHINE. Ach, wie rührend!

KLAPPROTH. So wuchs ich denn als elternlose Waise heran, und mein Vater sagte jeden Tag zu mir: –[38]

JOSEPHINE. Ich meine, Sie sind elternlos gewesen?

KLAPPROTH beiseite. Sapperment! Die paßt aber auf! Laut. Ich meine natürlich meinen Pflegevater. »Forsche nie«, sagte er immer mit düsterem Grabeston, »nach deinen Eltern, denn es würde ihnen unangenehm sein.«

JOSEPHINE notierend. Ach, was läßt sich alles aus einer mysteriösen Geburt in einem Roman machen, und welche Perspektive eröffnen der denkenden Schriftstellerin die schlichten Worte Ihres Pflegevaters. »Forsche nie!« Das ist Stoff zu wenigstens fünf Kapiteln.

KLAPPROTH für sich. Ach, wenn das Alfred mit anhören könnte!

JOSEPHINE. Weiter, weiter! Herr Klapproth, Sie verlebten natürlich eine freudlose Jugend.

KLAPPROTH. Ja, ich bekam viel Keile von meinem Meister.

JOSEPHINE. Der Makel einer wahrscheinlich illegitimen Geburt lastete schwer auf Ihnen, Sie mieden die Gesellschaft und grübelten nach über Ihr herbes Geschick. Mit Neid blickten Sie auf das glückliche Familienleben Ihrer Kameraden, und bittere Gefühle bemächtigten sich Ihres Herzens.

KLAPPROTH für sich. Nun erzählt sie auch noch selbst.

JOSEPHINE. Die Schilderung dieser Seelenzustände gibt ein prächtiges Kapitel.

KLAPPROTH beiseite. Wenn der Junge doch nur kommen wollte. Sieht sich nach Alfred um.[39]

JOSEPHINE für sich. Der Mann ist ja eine wahre Fundgrube. Laut. Endlich, nach langen, schweren Kämpfen und Mühsalen errangen Sie sich Stellung und Vermögen und fanden auf Ihrem dornenvollen Lebenswege eine gleichgestimmte Seele, eine edle Frauennatur. Sie sind doch verheiratet, nicht wahr?

KLAPPROTH etwas zerstreut, da er immer nach Alfred sieht. Nein, ich bin Junggeselle geblieben. Meine Schwester führt mir die Wirtschaft.

JOSEPHINE. Ihre Schwester?

KLAPPROTH. Na ja, warum denn nicht?

JOSEPHINE. Ja, aber woher wissen Sie denn, daß sie Ihre Schwester ist? –

KLAPPROTH. Woher ich das weiß?

JOSEPHINE. Natürlich, Sie kannten ja Ihre Eltern nicht.

KLAPPROTH. Ach so, ja ja, ganz richtig. Ja, das ist wieder eine Geschichte für sich, eine sehr komplizierte Geschichte, die ich Ihnen ein andermal ausführlich erzähle.

JOSEPHINE. Da scheint Ihre Schwester also auch eine sehr reich belebte interessante Vergangenheit hinter sich zu haben?

KLAPPROTH. Meine Schwester? Na und ob! Ich sage Ihnen, geradezu verblüffend. Als ich sie endlich wiederfand, war sie bereits mit einem Russen verlobt.

JOSEPHINE. Mit einem Russen? Wie kam denn das?[40]

KLAPPROTH. Sehr einfach. Dieser edle, junge Mann hatte mit Gefahr seines eigenen Lebens meine Schwester aus dem Harem eines türkischen Veziers befreit, an den sie auf Veranlassung ihrer mächtigen Verwandten, die sie mit ihrem unerbittlichen, grausamen Haß verfolgten, verkauft worden war.

JOSEPHINE. Das ist ja entsetzlich!

KLAPPROTH. Nicht wahr? Ja, Sie werden aber auch einsehen, wie mich das alles angreift. Verbirgt sein Gesicht ins Taschentuch und lacht hinein.

JOSEPHINE. Dann werde ich Sie aber ein andermal um die Fortsetzung bitten.

KLAPPROTH. Ein andermal? Gewiß! Beiseite. Da kannst du lange warten!


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 36-41.
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