3. Der Schweizerbund

[72] Sey ewig heilig, Schweizerbund!

Wir sind vom Joche frey!

Heil schwur uns unsrer Väter Mund!

Heil gab uns ihre Treu.


Tyrannen herrschten weit und breit

In unserm Vaterland,

Das Herz voll Stolz und Grausamkeit

Und Mord in ihrer Hand!


Sie truzten, Recht, dir mit Gewalt,

Bald löschten sie die Glut

Der geilen Lüste, raubten bald

Das schweißerrungne Gut.
[72]

»Was, freye Menschen, dulden wir

Noch lang das Sclavenjoch?

Tyrannen, wißt! wir sind, wie ihr

So gut, sind Menschen doch«.


So dacht' ein Patriotenklee,

Voll Unmuth gings einher:

»Wenn's auch das Leben kostete,

Das dulden wir nicht mehr«.


Gerecht, o Arnold, ist dein Schmerz!

»Mein Vater, ach, ist blind!

Tyrann«! – ja blute Sohnes Herz! –,

»Um meinetwillen blind«!


Von Staufach dich vertreibt und höhnt

Des Landvogts Übermuth,

Der dir dein neues Haus mißgönnt,

Gebaut aus eignem Gut!


Und du nimmst willig, Walther Fürst,

Dich der Bedrängten an.

Sie wissen, daß du helfen wirst,

Wo mann nur helfen kann!


Des Vaterlandes Jammer liegt

Auf Eurer Schulter schwer!

Ihr sehet alles Recht besiegt

Und alles hofnungleer.


Erbliket manches schöne Thal

Und manche Alpenhöh,

Und alles, Menschen ohne Zahl,

Voll Unmuth, Ach und Weh!


Auch weint das künfftige Geschlecht

Laut in der Helden Ohr:

»Hebt, Väter, – denn Gott hilft dem Recht –

Zu Gott die Händ empor«!
[73]

Da schwuren sie den theuren Eid

Und schlugen Hand in Hand

Zu retten von der Dienstbarkeit

Das liebe Vaterland.


Die stille felsigte Natur

Sah sie auf ihrem Knie,

Im Himmel hörte Gott den Schwur

Und blickte Muth auf sie.


Still drükte jeder seinem Freund

Die Hand: »Sey Patriot«!

Und jeder schwur, indem er weint,

Der Tyrannie den Tod.


Es kam die lang erseufzte Nacht,

Und sie umarmten sich

Und stiegen jeder wolbewacht

Und dachte, Freyheit, dich.


Die Mörder wurgen Mann für Mann

Am sichern Morgen früh

Und fielen die Tyrannen an

Und banden tüchtig sie.


Weg führten sie die Mörderschaar

Ohn einen Tropfen Bluts

Bis an die Gränzen. Alles war

Nun frey und guten Muths.


Sey ewig heilig, Schweizerbund!

Noch izo sind wir frey!

Das Heil, das unsrer Väter Mund

Uns schwur, bewahre Treu!


Quelle:
Johann Kaspar Lavater: Ausgewählte Werke. Band 1, Zürich 1943, S. 72-74.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon