[1570] ASPERMONTE tritt auf. Ich darf ihn diesen Monat keine Minute aus den Augen verlieren! – und was ist ein Monat so kurz, um eine zerrüttete Phantasie in Ordnung zu bringen? – und doch konnt ich kaum diese Frist erhalten. – Das ist noch das Beste, daß ich den Weg weiß, den ich zu gehen habe. Seine Vernunft ist keine unparteiische Richterin mehr; ich muß an sein Herz appellieren.
JULIUS tritt eilig auf. Gut, Aspermonte, daß ich Sie treffe, schaffen Sie mir sichre Leute, und ein Schiff, eilen Sie, ich gehe heute abend mit Blankan von hier.
ASPERMONTE. Prinz –
JULIUS. Aspermonte, keine Lobreden an weise Fürsten, und löbliche Regenten; – ich bin sie müde; – Sie könnten mir den unsterblichen Ruhm anbieten, der die Unermeßlichkeit zu Schranken, und die Sterne zu Gefährten hat; – ich gehe mit Blankan – nichts weiter! Mein Bruder hat recht, ich habe geschwatzt, wenn ich hätte handeln sollen.
ASPERMONTE. Ist der Monat schon wieder verstrichen – und haben Sie keinen Vater mehr?
JULIUS. Ich habe Ihnen gesagt – doch ich will meinen Vorsatz, nicht weiter über die Sache zu denken, noch einmal brechen. Wissen Sie denn, ich habe meinen Vater weinen sehn, und diese Tränen haben meinen Entschluß nicht wankend gemacht – Freilich fehlte unendlich wenig daran, aber unendlich wenig ist hier genug! – Es ist unnütz, diesen Monat abzuwarten, was kann darin, was kann in meinem Leben, meinen Plan wankend machen, da es die Tränen meines Vaters nicht getan haben?
ASPERMONTE. Das möcht ich so dreist nicht behaupten.
JULIUS. Hören Sie mich ganz an. Sie sollen nicht über meine einzelnen Gründe, sondern über alle zusammengenommen urteilen – Guido hat mir eine Aussicht in meine Seele eröffnet, vor der mir schaudert. Ich will es Ihnen gestehn; – in den Augenblicken, da mich der Gedanke verließ, Blankan heute zu entführen – verschob ich es bloß bis auf den Tod meines Vaters, in einer Zeit, in die meine Gedanken um keinen Schritt weiter vordringen sollten, als meine Wünsche. – Gott, ich kann die Idee nicht ausstehn, mein Glück von dem Tode meines Vaters zu erwarten. – Und[1570] wenn es mir einfällt: – ach Sie wissen es, ich habe die Saite niemals berührt! – daß mein Vater Blankan ins Kloster bringen ließ! – Ich muß von hier, ich muß von hier, um meinen Vater zu ehren!
ASPERMONTE. Ich liebe diese tugendhafte Gründe, aber sie überzeugen mich nicht.
JULIUS. Und wenn ich Blankan nicht aus ihrem Kerker reiße, so tut es Guido – er hat es gelobet, und auf sein Wort kann man bauen – Aspermonte, ich zittre vor der Vorstellung, diese Säle des Vaters könnten vom Blute der Söhne triefen.
ASPERMONTE. Unterdessen deucht mich die Gefahr noch nicht so dringend, daß Sie nicht noch einige Zeit abwarten könnten.
JULIUS. So soll ich es länger ansehn, daß diese Vollkommenheiten im Kloster verwittern, daß jeden Tag der Schmerz neue Anmut und Reiz von ihr, wie der Sturm die Blüte von einem Baume abschüttelt! Soll sie noch länger über mich seufzen, und es aus Edelmut verbergen wollen, daß sie es über mich tut! O je leiser diese versteckten Seufzer im Justinenkloster sind, desto lauter schreien sie im Ohr der Rache. – Unmensch ich seh es an deiner Kälte, du willst mich verlassen! Was sagte ich doch wahr; die Fürsten haben keine Freunde! – Gut so geh ich allein.
ASPERMONTE. Ich gehe mit Ihnen.
JULIUS umarmt ihn. O so zärtlich haben Sie mich nie an Ihr Herz gedrückt – ich fühl es schon, daß ich aufgehört habe, ein Fürst zu sein.
ASPERMONTE. So will ich itzt gehn um unsre Angelegenheiten zu besorgen – Vergessen Sie Ihre Kostbarkeiten nicht, sie müssen Ihren künftigen Unterhalt ausmachen – Aber wohin denken Sie?
JULIUS. Das überlaß ich Ihnen.
ASPERMONTE. Ich habe einen Freund in einem entfernten Winkel von Deutschland, der uns gern aufnimmt.
JULIUS. So sei Deutschland die Freistatt der Liebe. – Eilen Sie! Ich will unterdessen auf einem Spazierritt den väterlichen Fluren Lebewohl sagen.[1571]
Ausgewählte Ausgaben von
Julius von Tarent
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