[1578] Fürst. Erzbischof.
FÜRST. Gott! – Doch ich will mich zwingen. Ich habe heut viel getan, viel gelitten, und wie ich denke, einen vergnügten Abend verdient, wenn ich ihn nur haben könnte.
Der Erzbischof tritt auf.
FÜRST. Bruder, ich bin in einer Laune, die sich für einen Geburtstag schickt. Meine Empfindungen sind so melancholisch feierlich. Laß uns eine Flasche zusammen trinken.
ERZBISCHOF. Wie du willt.
FÜRST. In dieser Laune zeigt der Wein, er sei ein Geschenk des Himmels. Da knüpft er die beiden besten Zipfel, die Traurigkeit und Freude haben, zusammen.
Unterdessen bringt ein Bedienter eine Flasche und Gläser.
He Thomas, setz dieses Tischchen dem Gemälde von Anchises und Äneas gegenüber! Sie setzen sich. Hier, Bruder, hab ich meine vergnügtesten Stunden gehabt. Weißt du noch, wie mich unser Vater unter dem Bilde zum Ritter schlug?
ERZBISCHOF. Als wenn es heut gewesen wäre. Ich bat nachher den Vater auch um ein Schwert, er gab mir aber das Buch, auf das du geschworen hattest, und sagte, das wär das Schwert eines Geistlichen.
FÜRST der noch immer das Gemälde betrachtet. Damals glich ich noch fast dem Askanius; itzt dem Anchises, bald werd ich[1578] aufwachen und sagen: Wahrhaftig mir träumte, ich wär Fürst von Tarent! – Er schenkt ein. Wenn ich nur nicht mit Schrecken auffahre!
ERZBISCHOF. Aufs Wohl unsers Hauses, und unsers Volks – Sie trinken. Du sorgst zu viel, übersieh denn itzt das Tagewerk. Am Abend duftet alles, was man gepflanzt hat, am lieblichsten. Was geht dich die Nacht an!
FÜRST. Ach meine Söhne!
ERZBISCHOF. Verzeih mir, Bruder, du hast von jeher, von der Zeit an, da du noch dem Askanius glichest, zu viel gesorgt. Und nun sieh dich einmal um, ist dein Leben nicht zu beneiden?
FÜRST. ... Bis itzt hast du recht!
ERZBISCHOF. Hast du nicht deine Untertanen glücklich gemacht, und das ohne Geräusch, ohne Revolution, durch ein einfaches Leben, in dem fast jeder Tag wie der andre war? Wenige deiner Taten lassen sich malen, aber wenn sich dein ganzes Leben malen ließe?
Sie trinken.
FÜRST. Mach mich nicht stolz. Ich weiß es am besten, wie meine Werke gegen meine Entwürfe erblassen.
ERZBISCHOF. Freilich liegt höhere Schönheit in unserm Gehirn, als in unsern Taten, aber dem ohngeachtet kannst du zufrieden sein. Glaubst du, daß unser kleines Fest hier das einzige im Land sei? Jeder Bauer spart seine Henne drauf. Ich weiß, daß, wie einmal bei einem solchen Mahle die Alten so viel von dir schwatzten, ein Kind endlich fragte: »Was ist denn das, der Fürst?« Seine Mutter wußt ihm bloß zu antworten, »das für viele Tausend, was dein Vater für mich und dich ist«.
FÜRST. Ich danke dem Himmel, der mir ein so kleines Land gab, daß meine Regierungsgeschäfte häusliche Freuden sind. Glaubst du, Bruder, daß mir mein innres Haus einmal so viel Freude machen werde, als das äußre?
ERZBISCHOF. Ganz gewiß.
FÜRST. Nun ich will heut abend auch recht fröhlich sein. Vergessen, daß ich Vater; – Himmel! – Kurz, ich will fröhlich sein. O wenn ich mein künftiges Fest wieder unter meinen Kindern feiern könnte – und Cäcilia wär Julius' Weib! Das Mädchen ist mein Abgott. – Bruder, mein bißchen Klugheit kostet mir sechsundsiebenzig Jahr, und wenn du einen Tag[1579] davon nimmst, so nimmst du mir ein Stück von jener, und bei diesem achtzehnjährigen Mädchen blühen Weisheit und Schönheit an einem Morgen, Gewächse verschiedener Himmelsstriche, auf einem Beete, so nahe, daß ihre Farben ineinanderspielen. Und die Bescheidenheit – diese lieblichen Blumen scheuen den Strahl der Sonne, und hauchen im Schatten ihre süßesten Gerüche aus. – Wie muß einem Jüngling, der sie gesehn hat, der Hofweiber ekeln, bei denen Schminke und Witzeln im schändlichen Bunde stehn.
ERZBISCHOF. Bruder, du deklamierst. Bist du Askanius, oder Anchises?
FÜRST. Wenn nur Julius diese Reize fühlte! – es ist noch etwas in der Flasche. Laß uns das auf ein Motto trinken, das sich für Greise schickt. – Auf ein rühmliches Ende. Sie trinken.
Ausgewählte Ausgaben von
Julius von Tarent
|