König Abels Tod

[24] (In den Marschen am 29. Juni 1252.)


Der König schläft im purpurnen Zelt,

Der Posten klirrt auf und nieder.

Blauampellicht gefangen hält

Des Königs schwere Lider.


Vor den Deichen ebben die Wasser dumpf,

Die Wachtfeuer qualmen und knistern,

Durch die Nacht wiehert ein Pferd. Die Frösch' im Sumpf,

Sie stimmen in tausend Registern.
[24]

Auf heimlichen Wegen, mit Axt und Beil,

Mit Keulen und Morgensternen,

Es kommen die freien Friesen in Eil,

Sie kommen aus Näh' und Fernen.


Das Bild des heiligen Christian,

Es rumpelt auf dem Wagen.

Bitt' für uns betet der Kapellan,

Wir wollen mit Gold dich beschlagen.


Mit Gold schon beschlägt ihn der gelbe Mond

Und leuchtet auf Freund' und Feinde.

Wenn morgen er wieder am Himmel thront,

Er sieht eine stille Gemeinde.


Der König träumt im Pupurzelt,

Der Posten klirrt auf und nieder.

Der blauen Ampel Dämmer fällt

Auf des Königs zuckende Lider.


König Erich steht vor ihm, naß aus der Flut,

Und streckt den Arm nach oben.

»Hinweg, hinweg, bei Christi Blut,

Zehn Klöster will ich geloben.«


Steilauf der König: »Gratias.

Wulff Bokwoldt! Helm und Schienen,

Mein Schuppenhemd, und rufe rasch

Uk Rugmoor und Caj Thienen.«


Wulff Bokwoldt, der Page, wie der Hund

Schlief treu zu des Königs Füßen.

Im Traume lächelt sein junger Mund,

Schön Heilwig sieht er grüßen.
[25]

Im Walde, voll des süßen Schalls,

Er und Schön Heilwig gingen.

Sie knotet lustig um seinen Hals

Ihr Langhaar in Maschen und Schlingen.


Zwei Ritter, mit schwarzem Panzer bewehrt,

Stehn vor des Königs Bette.

Der Page gürtet dem König das Schwert

Und reicht ihm Schild und Kette.


Im Lager lärmt es. Des Himmels Zier

Sind gierige Geierflüge.

»Die Hengste vor. Der Friesenstier

Muß heut noch in die Pflüge.«


Der König ruft es, die Sonne glitzt,

Gekrach und Lanzensplitter.

Des Königs goldene Rüstung blitzt,

Seit' jagen die schwarzen Ritter.


Dicht drängt Wulff Bokwoldt den Schecken heran,

Wild flattern Schweif und Mähnen.

Heut wird er ein Ritter, heut wird er ein Mann,

Er beißt mit Eisenzähnen.


Die Friesen kämpfen für Herd und Weib,

König Abel ist verloren.

Die schwarzen Ritter strecken den Leib,

Caj Thienen und Uk Rugmooren.


Der König allein, er irrt auf dem Deich,

Hoch spritzt die Flut an den Wällen.

Ringsum der Feind. Keinen Sünder bleich,

Einen König sollen sie fällen.
[26]

In die Friesen trug er sein Schwert Hilfnot,

Das hat ihn heute betrogen.

Wessel Hummer aus Pellworm schlug ihn tot

Und schleudert ihn in die Wogen.


Der Page, wo blieb der Page klein,

Sie warfen ihn nackt in den Graben.

Um seine weißen Glieder fein

Zanken und raufen die Raben.

Quelle:
Detlev von Liliencron: Adjudantenritte und andere Gedichte, Leipzig 1883, S. 24-27.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon