Lenzbilder

1776.


Mit grausem Getümmel,

Entfliehen vom Himmel

Gewölke voll Nacht!

Seht! wie sie, zerrissen,

In Regen zerfliessen,

Vom Sturme gejagt!


Nun kehret, voll Wonne,

Dein Lächeln, o Sonne!

Den Fluren zurük;

Mit segnender Milde

Begrüßt die Gefilde

Dein himlischer Blik!


Nun sprossen und keimen

Aus Büschen und Bäumen

Die Blätter hervor!

Nun rieselt der Quelle

Hellschäumende Welle

Durch wankendes Rohr!


Die Bienen umirren,

Mit fröhlichem Schwirren,

Violen voll Thau!

Sanftathmende Lüfte[3]

Entschmeicheln Gedüfte

Den Kräutern der Au!


Horch! wie in den Thalen,

Die bunter sich malen,

Das Wollenvieh blökt;

Und fern in den dichten,

Umdüsterten Fichten

Den Wiederhall wekt!


Durch Pappelalleen,

An bläulichen Seen,

Schallt Liedergetön!

Im rosigen Kleide,

Schwebt lächelnd die Freude

Von blumichten Höh'n!


Sie winkt, unter Küssen

Den Lenz zu begrüssen,

Die Mädchen zum Hain,

Und schlingt sich in grünen

Gebüschen mit ihnen

Im zirkelnden Reihn!


Blikt fröhlichen Zechern,

Bei funkelnden Bechern,

Sokratischen Scherz,

Und feuriges Sehnen

Nach lächelnden Schönen

Ins glühende Herz!


Da eilen die Stunden,

Mit Rosen umwunden,

Mit Wonne beschwingt!

Die Becher erklingen!

Sie scherzen und singen

Bis Hesperus sinkt!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 3-4.
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