Votivtafel

[38] Mit kümmernden Gedanken schlief

Ich ein auf meinem Krankenbett,

Da kam sie, da erschien sie mir

In einem wunderklaren Traum.


Sie war ein Mädchen groß und schlank

Mit feurig blauem Augenlicht,

Sie kam und nahm mich bei der Hand

Und sagte freundlich: »Wirb um mich!


Vertraue! Habe Zuversicht!

Halt an und überleg es nicht!

Halt an und überlaß es mir!

Erbitte mich! Erbitte mich!« –
[38]

Da wacht ich auf im Morgenlicht

Und hob die Hände hoch empor:

Gebt sie, versaget sie mir nicht,

Ihr Götter, sonst bin ich dahin.


Die Göttlichen erhörten mich,

Und wieder atm ich leichter schon,

Denn, siehe, die Genesung war's,

Die mir erschien im Morgentraum.

Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 38-39.
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