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[194] 1772.
Auf, ihr meine deutschen Brüder!
Feiern wollen wir die Nacht!
Schallen sollen frohe Lieder,
Bis der Morgenstern erwacht!
Laßt die Stunden uns beflügeln!
Hier ist echter, deutscher Wein,
Ausgepreßt auf deutschen Hügeln,
Und gereift am alten Rhein!
Wer im fremden Tranke prasset,
Meide dieses freie Land!
Wer des Rheines Gabe hasset,
Trink', als Knecht, am Marnestrand!
Singt in lauten Wechselchören!
Ebert, Hagedorn und Gleim
Sollen uns Gesänge lehren;
Denn wir lieben deutschen Reim.[194]
Trotz geboten allen denen,
Die, mit Galliens Gezier,
Unsre Nervensprache höhnen!
Ihrer spotten wollen wir!
Ihrer spotten! Aber, Brüder!
Stark und deutsch, wie dieser Wein,
Sollen immer unsre Lieder
Bei Gelag und Mahlen sein.
Unser Kaiser Joseph lebe!
Biedermann und deutsch ist er.
Hermanns hoher Schatten schwebe
Waltend um den Enkel her,
Daß er, mutig in Gefahren,
Sich dem Vaterlande weih',
Und, in Kindeskinder-Jahren,
Muster aller Kaiser sei!
Jeder Fürst im Lande lebe,
Der es treu und redlich meint!
Jedem wackern Deutschen gebe
Gott den wärmsten Herzensfreund,
Und ein Weib in seine Hütte,
Das ihm sei ein Himmelreich,
Und ihm Kinder geb', an Sitte
Seinen braven Vätern gleich!
Leben sollen alle Schönen,
Die, von fremder Thorheit rein,
Nur des Vaterlandes Söhnen
Ihren keuschen Busen weihn!
Deutsche Redlichkeit und Treue
Macht uns ihrer Liebe wert;
Drum, wohlauf! der Tugend weihe
Jeder sich, der sie begehrt!
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Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
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